Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 6
Blanche gedruckt, auf die Rückseite hatte Kate ihre Zimmernummer geschrieben. James hatte das Zimmer wenige Stunden zuvor für sie angemietet.
Brulot runzelte die Stirn, aber er steckte die Visitenkarte in seine Westentasche. Kate grinste ihn frech an. Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal nach ihm um.
„Und vergessen Sie nicht, 10.000 Francs mitzubringen, Mr Brulot.“
Kate ging die Champs-Elysées Richtung Süden hinunter. Aber sie glaubte noch lange, Brulots bohrende Blicke in ihrem Rücken zu spüren.
Während Kate auf das Rendezvous mit dem Mörder wartete, liefen die Vorbereitungen für Jeremy Summers’ Flucht nach England weiter. Summers hatte selbst dank seiner Geheimdiensttätigkeit Kontakt zu einem verschwiegenen Fälscher, von dem er einen sehr echt aussehenden britischen Pass bekam.
Benson kaufte Fahrkarten zweiter Klasse für die ganze Gruppe. Sie wollten erst im Hafen von Calais entscheiden, ob sie die normale Dampffähre nach Dover nahmen oder lieber ein Fischerboot für die Überfahrt wählten.
Kate lief unruhig in ihrem Zimmer hin und her. Es kam ihr so vor, als würde es überhaupt nicht später werden. Aber irgendwann schlugen die Glocken der Kathedrale Sacré-Cœur die zehnte Abendstunde. Kates kleines Pensionszimmer war durch eine Schiebetür mit dem angrenzenden Raum verbunden. Dort lauerten James und sein Geheimbund-Freund Pierre Lafitte von der Pariser Polizei. Sie konnten jedes Wort hören, das zwischen Kate und Brulot gesprochen wurde.
Aber was würde geschehen, wenn der Mörder Kate einfach stumm niederschoss?
Dieses Risiko bestand, aber sie glaubte nicht daran. Brulot würde zumindest herausfinden wollen, wie viel sie wirklich über die Bluttat in Daniel Brassens’ Wohnung wusste. Als die letzten Glockenschläge der Kathedrale verklungen waren, klopfte es an ihrer Zimmertür.
Kate hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Aber der Gedanke an James, der sich nur wenige Yards von ihr entfernt befand, gab ihr Kraft. Sie öffnete die Tür. Brulot zog seinen Zylinder. „Es kommt selten vor, dass ich eine fremde junge Dame aufsuche, deren Namen ich noch nicht einmal kenne.“
„Ich heiße Kate Fenton. Treten Sie bitte näher, Mr Brulot.“
Der Mörder kam herein und schaute sich suchend um. Einen Moment lang fürchtete Kate, er würde die Schiebetür aufziehen. Aber er stellte nur seinen Zylinder auf den Tisch neben die Petroleumlampe.
„Ich weiß immer noch nicht, was Sie von mir wollen, Miss Fenton.“
„Sie und ich können uns die Schmierenkomödie sparen. Aber ich will Ihrem Gedächtnis gerne auf die Sprünge helfen. Ich reise gelegentlich von London nach Paris, um meinem Onkel bei seinen Geschäften Gesellschaft zu leisten. Bei einer dieser Gelegenheiten lernte ich Daniel Brassens kennen. Wollen Sie behaupten, dass Ihnen dieser Name nichts sagt?“
Kate bemerkte die Anspannung auf Brulots Gesicht. Obwohl Brassens schon tot war, hegte der Mörder offenbar immer noch Hassgefühle gegen ihn. Das wurde ihr klar, als Brulot jetzt das Wort ergriff. „Brassens? Ja, das war ein junger Taugenichts, der das schwer verdiente Geld seines Vaters durchbrachte. Einer dieser Berufssöhne, die außer Weibern und Glücksspiel nichts im Kopf haben. Gehören Sie etwa auch zu den bedauernswerten Geschöpfen, die auf Brassens’ Verführungskünste hereingefallen sind, Miss Fenton?“
Kate fragte sich, ob der Mörder auf ihr Täuschungsmanöver hereinfiel. Noch hatte er nicht zugegeben, dass er die Bluttat begangen hatte. Und genau dieses Geständnis war ja der Kern dieser ganzen Aktion.
Sie hatte diesen Brassens nicht gekannt. Aber nun gab sie sich alle Mühe, schwärmerisch zu klingen. „Oh, Daniel Brassens war ein wundervoller Liebhaber, leidenschaftlich und sehr männlich. Ich wusste, dass es andere Frauen in seinem Leben gab. Aber es war mir egal. Und sein Tod hat bei mir eine fürchterliche Lücke hinterlassen.“
Es war Kate gelungen, Brulot mit ihren Worten wütend zu machen. Und daher vergaß er seine Vorsicht. „Sie miese Heuchlerin! Diese Lücke, von der Sie sprechen, wollen Sie jetzt mit Francs-Banknoten füllen, wie? Haben Sie gewusst, dass Ihr sauberer Daniel noch nicht einmal vor Ehefrauen haltgemacht hat? Er hat auch meine Gattin verführt!“
Kate warf Brulot einen kalten Blick zu. Sie musste ihn noch mehr reizen, damit er sich endgültig verriet. „Haben Sie sich einmal überlegt, warum Ihre Frau sich einen Liebhaber gesucht hat,
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