Hohle Köpfe
dafür?«
»Es verstößt gegen das Gesetz, alte Männer umzubringen«, erwiderte Angua. »Viele Dinge verstoßen gegen das Gesetz, und deshalb haben wir Wächter viel zu tun. Wir kümmern uns gern um
wichtige
Angelegenheiten. Wenn das nicht mehr möglich ist, müssen wir uns den unwichtigen Dingen zuwenden. Hast du verstanden?«
Der Schemen dachte darüber nach. »Nehmt Platz«, sagte er schließlich. »Ich bringe euch gleich die Getränke.«
Angua führte die Zwergin zu einem Nischentisch. Die übrigen Gäste verloren das Interesse an ihnen und setzten ihre leisen Gespräche fort.
»Was
ist
das für ein Ort?« fragte Grinsi.
»Hierher kommen Leute, die… sie selbst sein wollen«, sagte Angua langsam. »Leute, die… sonst sehr vorsichtig sein müssen. Verstehst du?«
»Nein.«
Angua seufzte. »Vampire, Zombies, Schwarze Männer, Ghule und so weiter. Die Unto…« Sie unterbrach sich. »Die auf andere Weise Lebenden«, sagte sie. »Personen, die permanent darauf achten müssen, andere Leute nicht zu erschrecken, denen es sehr schwerfällt, sich anzupassen. Darauf läuft es in Ankh-Morpork hinaus. Wenn man sich anpaßt, eine Arbeit findet und niemandem Angst einjagt, muß man nicht damit rechnen, von einer aufgebrachten Menge mit Mistgabeln und brennenden Fackeln besucht zu werden. Wie dem auch sei: Manchmal ist es angenehm, einen Ort aufsuchen zu können, an dem man sich nicht verstellen muß.«
Grinsis Augen gewöhnten sich immer mehr ans Halbdunkel, wodurch sie diverse Gestalten deutlicher erkennen konnte. Einige von ihnen waren ein ganzes Stück größer als Menschen. Manche hatten spitze Ohren und lange Schnauzen.
»Wer ist das Mädchen dort?« fragte sie. »Es sieht… normal aus.«
»Oh, du meinst Violett. Sie ist eine Zahnfee. Und neben ihr sitzt ein Schwarzer Mann namens Schleppel.«
In einer fernen Ecke saß jemand, der einen langen Mantel sowie einen spitz zulaufenden Hut mit breiter Krempe trug.
»Und der?«
»Des Alten Mannes Schwierigkeiten«, sagte Angua. »Ihm solltest du besser aus dem Weg gehen, aus eigenem Interesse.«
»Äh… gibt es hier auch Werwölfe?«
»Einen oder zwei«, sagte Angua.
»Ich
hasse
sie.«
»Ach?«
Der seltsamste Gast saß allein an einem kleinen runden Tisch: eine alte Frau mit Schal und einem Strohhut, in dem Blumen steckten. Sie starrte gutmütig ins Leere und wirkte dadurch noch unheimlicher als die übrigen Anwesenden.
»Wer ist das?« hauchte Grinsi.
»Oh, Frau Gammage.«
»Und was macht sie hier?«
»Was sie hier
macht?
Nun, sie kommt fast jeden Tag, um ein Gläschen zu trinken und etwas Gesellschaft zu haben. Manchmal singen wir. Ich meine,
sie
singen. Alte Lieder, an die sich Frau Gammage erinnert. Sie ist praktisch blind. Wenn du wissen willst, ob sie zu den Untoten gehört… Die Antwort lautet nein. Sie ist kein Vampir, kein Werwolf, kein Zombie, auch kein Schwarzer Mann, einfach nur eine alte Frau.«
Eine große, wankende und haarige Gestalt trat an Frau Gammages Tisch heran und stellte ein Glas vor ihr ab.
»Portwein mit Zitrone«, grollte sie. »Bitte sehr, Frau Gammage.«
»Auf dein Wohl, Charlie«, krächzte die Alte. »Wie läuft das Klempnergeschäft?«
»Kann nicht klagen«, erwiderte der Schwarze Mann und verschwand in der Düsternis.
»
Das
war ein
Klempner
?« fragte Grinsi.
»Natürlich nicht. Ich weiß nicht, wer Charlie gewesen ist. Wahrscheinlich ist er schon vor vielen Jahren gestorben. Aber sie hält den Schwarzen Mann für Charlie, und wer brächte es fertig, sie mit der Wahrheit zu enttäuschen?«
»Soll das heißen, sie weiß gar nicht, was dies für ein Ort ist?«
»Sie kam schon hierher, als die Taverne noch
Krone und Axt
hieß«, sagte Angua. »Niemand will etwas verderben. Alle mögen Frau Gammage. Sie… geben auf sie acht. Helfen ihr auf die eine oder andere Weise.«
»Wie denn?«
»Nun, vergangenen Monat soll jemand in ihr bescheidenes Heim eingedrungen sein und ein paar Sachen entwendet haben…«
»
Das
nennst du helfen?«
»… die am nächsten Tag alle zurückgebracht wurden. Außerdem fand man zwei tote Diebe in den Schatten – ihre Leichen enthielten keinen Tropfen Blut mehr.« Angua lächelte und fuhr in spöttischem Tonfall fort: »Oh, ja, man hört lauter üble Dinge über die Untoten, aber nur wenig von der guten Arbeit, die sie leisten.«
Der Wirt namens Igor trat heran. Er wirkte mehr oder weniger menschlich, abgesehen von den Haaren auf seinen Handrücken und den Augenbrauen, die nicht
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