Hollys Weihnachtszauber
noch immer nicht ganz nüchternen, mit einem scharlachroten, spärlichen Fetzen bekleideten Coco, brachte ich ein Tablett mit pikanten Blätterteigtaschen hinüber und blieb auf einen Drink.
Michael hatte den Sherry und die Pralinen an Tilda überreicht, wohl als der ehrenhalber den Vorsitz führenden Dame des Hauses. Nun stand er so hoch in ihrer Gunst, dass er, als alle Übrigen ins Speisezimmer hinübergegangen waren und er mir half, den Hauptgang aufzutragen, erzählte, er fühle sich wie ein geladener Gast des Hauses und glaube, Weihnachten in Old Place würde wahrscheinlich viel vergnüglicher als bei den Freunden, die er eigentlich hatte besuchen wollen.
»Es ist jedenfalls völlig anders als alle Weihnachtsfeiern, die ich bis jetzt erlebt habe«, erwiderte ich und erzählte ihm ein bisschen über meine Erziehung bei den Rätselhaften Baptisten und wie ich, abgesehen von den allzu kurzen Jahren meiner Ehe, Weihnachten nur als Kirchenfest gefeiert hatte.
»Und dann starb mein Mann bei einem Unfall in dieser Jahreszeit, genau wie meine Mutter – und nun auch meine Großmutter, die mich aufgezogen hat: Du siehst, ein fröhliches Fest ist es für mich nicht unbedingt.«
»Nein, ich kann gut verstehen, dass du das Ganze lieber ausgelassen hättest«, bestätigte er und nahm mich freundschaftlich in die Arme. »Arme Holly!«
Jude, der in ebendiesem Moment in die Küche kam, blieb wie erstarrt auf der Schwelle stehen. »Ich wollte fragen, ob ich irgendetwas für dich tun kann – aber wie man sieht, deckt Michael ja schon deinen Bedarf«, sagte er ziemlich unwirsch, ging wieder hinaus und knallte die Tür zu.
»Was hat den denn gebissen?«, rief ich.
»Ich schätze, wir gehen für seinen Geschmack etwas zu freundschaftlich miteinander um«, meinte Michael mit einem Grinsen. »Wahrscheinlich ist er eifersüchtig.«
»Red keinen Unsinn, er kann mich nicht ausstehen, warum sollte er also eifersüchtig sein? Vielleicht missfällt es ihm, wenn die Hilfe mit den Gästen einen vertraulichen Umgang pflegt?«
»Aber Coco scheint doch hier die Einzige zu sein, die dich als Personal betrachtet.«
»Sie scheint ihre Zuneigung von Guy auf dich zu übertragen, ist dir das aufgefallen? Nimm dich besser in Acht, Michael!«
»Mach ich, aber ich glaube, das liegt nur daran, dass sie hofft, ich könnte ihr zum Einstieg in die Schauspielerei verhelfen – was schwer wäre, selbst wenn sie schauspielern könnte, was ich stark bezweifle.«
»Nein, ich glaube, sie kann nur eine einzige Rolle spielen, nämlich die der Coco«, stimmte ich zu.
Mit einer roten Damasttischdecke und roten Kerzen in den silbernen Leuchtern sah der Esstisch wunderschön aus.
Coco schmollte nach wie vor schweigend über weite Strecken des Abendessens hinweg, wobei sie wenig aß und zu viel trank, und auch Jude war ziemlich schlecht gelaunt, obwohl er grundsätzlich kein Spaßmacher zu sein schien. Alle anderen jedoch waren sichtlich guter Dinge, auch wenn Jess ihre Aufregung wegen des bevorstehenden Weihnachtsfests kaum noch bezähmen konnte.
Tilda machte mir sogar Komplimente für die Fasanenterrine und sagte, besser hätte sie selbst sie auch nicht zubereiten können, allerdings bemerkte ich, dass Coco bei ihrem Stück nur ein bisschen aus der Mitte herauskratzte und es mit etwa einem Teelöffel voll Gemüse verzehrte. Als ihr der Trifle angeboten wurde, lehnte sie entsetzt ab.
»Aber er ist prima! Ich hab die Sahne und die Verzierung gemacht, stimmt’s, Holly?«, sagte Jess.
»Ja, sieht wunderschön aus. Wie wäre es dann mit einem Apfel oder einer Clementine, Coco? Oder ein bisschen Käse?«
»Käse ist voller Fett, und Obst kann ich nicht ausstehen.«
»Was isst du denn zu Hause normalerweise?«, fragte ich neugierig.
»Wenn überhaupt etwas«, sagte Jude leise.
»Gedünsteten Fisch und Edamame-Bohnen«, erklärte Guy und verzog das Gesicht.
»Oh, es ist jede Menge Fisch in der Tiefkühltruhe, Coco – in der Tat kommt am Boxing Day ein ganzer Lachs auf den Tisch. Edamame-Bohnen gibt es allerdings nicht.«
»Ich weiß nicht mal, was das sein soll«, meinte Jess.
»Die sind erst kürzlich in Mode gekommen – Filmstars essen offenbar jede Menge davon. Keine Ahnung, warum, denn ich finde sie nicht besonders aufregend«, sagte ich.
»Michael weiß bestimmt, was das ist«, erwiderte Coco, und ihr vertrauliches Lächeln sollte offenbar zeigen, dass sie beide derselben, fein kultivierten Welt angehörten. Nachdem sie inzwischen ein
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