Hollys Weihnachtszauber
Kleid trägt. Zur Auswahl standen indessen entweder das oder Erfrierungen der Gliedmaßen.
Richard und Old Nan waren durch die kalte Luft, die man wie beim Inhalieren mit scharfem Eukalyptus bis in sämtliche kleine Verästelungen der Lunge spürte, vorübergehend wieder munter geworden, als Liam jedoch Merlin und mich beim Torhaus absetzte, waren sie schon wieder eingedöst.
Alles war in bester Ordnung, und ich plünderte die Küchenschränke und füllte meinen Rucksack mit weiteren gemahlenen Mandeln, Trockenfrüchten und anderem Krimskrams, den ich vielleicht brauchen könnte, wenn die große Kälte weiter anhielt. Dann sperrte ich sorgfältig ab und ging mit auf dem jungfräulichen Schnee knirschenden Schritten ein Stück weit am Straßenrand bergab, bis das Display meines Handys ein deutliches Netzsignal anzeigte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Laura abnahm, wahrscheinlich hatte sie wegen der lärmenden Familienfeier im Hintergrund das Telefon nicht gleich gehört, dann aber sagte sie, es ginge ihr gut.
»Natürlich bin ich stocknüchtern – ach, die Freuden der Schwangerschaft! Na, warte nur.«
»Ja – apropos Schwangerschaft, ich habe heute Morgen das Buch, das du mir geschenkt hast, direkt vor allen Leuten ausgepackt!«
Sie lachte. »Tut mir leid, ich konnte ja nicht ahnen, dass du nicht allein sein würdest. Haben die anderen es gesehen? Falls ja, denken sie jetzt bestimmt, du hättest einen Braten in der Röhre!«
»Ich habe es schnell wieder versteckt, und in dem Moment hat wohl nur Jude zu mir hergesehen. Er war ganz am anderen Ende des Raums, von daher bräuchte er schon wahre Adleraugen, um den Titel erkannt zu haben. Er schaut mich zwar seitdem immer wieder so komisch an, aber das ist nichts Neues: grüblerisch stierer Blick ist anscheinend fester Bestandteil seiner natürlichen Mimik.«
»Ach ja, und wie ist denn der Herr und Gebieter, abgesehen von der grüblerischen Heathcliff-Miene und der tiefen, erotischen Stimme?«
»Wir sind zu einer Art Waffenstillstand gekommen, aber er ist noch immer argwöhnisch und wurde gleich misstrauisch, als ich Noel vorhin ein paar Fragen über Ned Martland gestellt habe. Nur weil ich groß und dunkel bin, wie auch die meisten Martlands, befürchtet er womöglich, ich könnte ein unehelicher Familienabkömmling sein und einen Erbteil beanspruchen wollen. Genau genommen könnte ich tatsächlich ein uneheliches Familienmitglied sein, beziehungsweise dessen Tochter, aber das will ich gar nicht.«
»Ich schließe daraus, dass du in den Tagebüchern noch nicht weit genug vorgedrungen bist, um dir sicher zu sein?«
»Nein, allerdings sieht es nicht besonders günstig aus.«
»Na dann, lass es mich wissen. Und ich hatte gehofft, Jude würde sich als netter erweisen, als du dachtest, und ihr beide freundet euch doch noch miteinander an«, sagte Laura optimistisch. »Sieht er gut aus?«
Ich dachte darüber nach. »Er ist ein dunkler Typ, aber nicht so attraktiv wie sein Bruder Guy, dazu ist sein Gesicht zu zerklüftet, und er hat ein energisches Kinn, das ihm ein leicht grimmiges Aussehen verleiht. Was er hat, ist ein sehr liebenswertes Lächeln, sofern er mal geruht, es zu zeigen.«
»Das muss er ja schon getan haben, sonst wüsstest du es schließlich nicht! Und ist er außer dunkelhaarig nicht auch groß? Ein schönes Gesicht ist nicht alles!«
»Ja, er muss gut zwei Meter groß sein und hat mächtig breite Schultern, auch wenn er nach unten hin richtig schmale Hüften bekommt – in der Tat ist sein Körper unbekleidet ganz schön athletisch!«, fügte ich provozierend hinzu.
»Holly!«
»Reg dich nicht auf, ich bin nur gestern Abend, als ich den Weihnachtsstrumpf für Jess aufhängen wollte, in ihn hineingerannt, und da hatte er nichts als Schlafanzughosen an.«
»In meinen Ohren scheint vieles für ihn zu sprechen, wenn du deine anfängliche Abneigung überwinden könntest. Ich meine, wenn er deutlich größer ist als du, ist das schon mal nicht schlecht, stimmt’s?«
»Aber ich bin es nicht gewöhnt, dass ein Mann mich überragt und ich mir neben ihm klein vorkomme, von daher finde ich es offen gestanden leicht irritierend. Auch hat er mich unter dem Mistelzweig geküsst, obwohl er mich gar nicht leiden kann – aber das war nichts Halbes und nichts Ganzes, von daher weiß ich gar nicht, was das eigentlich sollte. Männer sind so was von merkwürdig!«
»Hmmm …«, machte Laura nachdenklich. »Und wie sind die anderen Männer?«
»Michael
Weitere Kostenlose Bücher