Hollys Weihnachtszauber
Augenbraue. »Er ist Witwer, weißt du, Holly, und hat eine eigene Farm – eine gute Partie. Du könntest es schlechter treffen.«
»Onkel Jude ist auch Witwer«, sagte Jess, »und er hat Old Place und jede Menge Geld, weil seine Statuen sich für Milliarden verkaufen.«
»Das ist nun doch eine leichte Übertreibung meiner Wettbewerbsposition«, meinte Jude ungeniert.
»Ich wusste gar nicht, dass du verheiratet warst«, sagte ich überrascht und drehte mich zu ihm um.
»Wir alle vergessen das leicht, weil es schon so lange zurückliegt und sie jung gestorben ist, ein bisschen wie in diesem Film – wie hieß der gleich?«, sagte Becca. » Love Story , genau.«
»Es war überhaupt nicht wie in Love Story «, erklärte Jude kurz angebunden und machte ein ganz verschlossenes Gesicht, die Erinnerung war offenbar selbst nach all der Zeit noch immer schmerzvoll.
»Außerdem ist er ja nicht Hollys Verehrer, es spielt also gar keine Rolle, oder?«, meinte Coco mit brüchigem Lachen. »Ich verstehe gar nicht, was die ganze Aufregung soll, nur weil ein alter Farmer der Köchin einen Spazierstock schenkt.«
»Er ist eigentlich gar nicht so alt, nur ein bisschen wettergegerbt«, stellte Becca richtig. »Höchstens Ende vierzig.«
»Das ist aber ganz schön alt«, meinte Jess. »Onkel Jude ist erst achtunddreißig.«
Sie fand wohl, das sei ein Grund, ihm zu gratulieren.
»Und ich bin sogar erst sechsunddreißig«, sagte Guy mit charmantem Lächeln in meine Richtung, das bei mir jedoch nicht zog: Im Gegensatz zu Oma würde ich auf einen gut aussehenden Martland-Schürzenjäger nicht hereinfallen!
Ich war überzeugt, dass er nicht wirklich auf mich stand, er flirtete wahrscheinlich nur ganz automatisch mit jeder Frau in Reichweite.
»Und außerdem bin ich ein sehr erfolgreicher Fachmann für Hochfinanz«, setzte er als Trumpf obendrauf.
»Hoch-den-Schwanz kommt wohl eher hin«, murmelte Jude neben mir frech, sodass ich überrascht losprustete.
»Hör nicht auf ihn«, sagte Guy. »Außerdem wirst du feststellen, dass ich viel amüsanter bin als George: Der redet doch die meiste Zeit mit Schafen.«
Ich war an solches Geflirte nicht gewohnt, auch wenn es keineswegs ernst gemeint war, und konnte dieses Spiel nicht mitspielen, von daher war es eine Erleichterung für mich, wieder in die Küche zu entfliehen.
Und ich konnte nur hoffen, dass Jess sich nicht in den Kopf gesetzt hatte, mich mit ihrem geliebten Onkel Jude zu verkuppeln, denn das war eine Idee, die durch unsere gegenseitige Abneigung von vornherein zum Scheitern verurteilt war!
Im Speisezimmer hieß Noel uns mit einer lebhaften Darbietung des Liedes Die zwölf Weihnachtstage willkommen, bei der er sich selbst auf dem Klavier begleitete, Tilda stimmte dann mit brüchigem und leicht wackligem Sopran in die letzte Strophe mit ein.
Und das Weihnachtsfestessen, wenn ich das selbst in aller Bescheidenheit sagen darf, war bis aufs i-Tüpfelchen gelungen.
Der goldbraun gebratene Truthahn und die in Schinken gewickelten Chipolatas, die Brotsoße, die knusprigen Bratkartoffeln und Pastinaken, die knackigen kleinen Rosenkohlknöllchen aus Henrys Garten und die gute Lancashiresoße, so dick, dass fast der Löffel darin stehen blieb … alles einfach köstlich.
Nachdem alle Beteiligten mittels Alkohol in einen Zustand gesteigerter Kameradschaftlichkeit versetzt waren, zogen wir Knallbonbons, lasen uns gegenseitig die Sprüche vor und setzten die silbernen Papierkronen auf (Jude stand die Krone eigenartigerweise am besten – mit seiner hohen Stirn, der kräftigen geraden Nase und dem energischen Kinn sah er aus wie ein frisch vom Schlachtfeld kommender, kampferprobter Prinz). Dann langten wir zu, und sogar Coco aß mit leichtfertiger Unbekümmertheit, wahrscheinlich hervorgerufen durch was auch immer ihr grüner Drink von vorhin enthalten haben mochte, von allem mindestens einen Teelöffel voll.
Ich konnte nur hoffen, dass sich das Essen lange genug in ihrem Verdauungstrakt aufhielt, um ihr etwas zu nützen, und auch wenn ich mit dem Gedanken spielte, ihren Vorrat an Abführmitteln bei Gelegenheit irgendwo zu verstecken, war ich doch ein bisschen unsicher, wie sich ein Fruity-Go-Entzug bei ihr auswirken könnte …
Zu guter Letzt entzündete Jude den Brandy über dem großen, kuppelartigen Pudding und trug ihn mit blau züngelnden Flammen in den eigens dafür verdunkelten Raum. Michael bildete mit Weinbrandbutter und Béchamelsoße die Nachhut.
Zum Abschluss
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