Hollys Weihnachtszauber
hätte Lady hier«, sagte er an einem Punkt, und etwas später murmelte er, wie zu sich selbst: »Und ich wünschte wirklich, du würdest deine Kleider ausziehen!«
»Darauf könnte ich wetten, aber daraus wird nichts! Hör mal, Jude, meine eine Seite ist schon ganz taub, kann ich mich wieder bewegen? Ich stehe bestimmt schon seit Stunden so da.«
»Ach … ja, das kann gut sein«, antwortete er und blinzelte mich an, als hätte er vergessen, dass ich ein lebendiges Objekt mit einer Stimme und eigenem Willen war. »Ich glaube, ich habe genug Material, um einen Anfang zu machen.«
»Für eine Skulptur?« Steifbeinig kletterte ich herunter und holte mir die Thermosflasche mit Kaffee, die ich vorausschauenderweise mitgebracht hatte.
»Ja, aber erst mache ich eine Makette oder zwei.«
»Makette?«
»Einen kleinen, dreidimensionalen Entwurf, um Ideen auszuprobieren.«
»Aha.«
»Wir werden sehen, ob Lady ohne die Decke noch mal dieselbe Pose einnimmt, wenn sie später dazukommt, und dann kann ich zudem ein paar Fotos machen. Außerdem brauche ich dich morgen wieder hier unten.«
Er kam und setzte sich neben mich auf die Kante des hölzernen Podests, und ich reichte ihm einen Becher mit Kaffee und ein Mince-Pie aus der Brotdose.
»Ich kann es kaum erwarten«, antwortete ich höflich.
»War gar nicht so schlimm, oder?«, fragte er überrascht. Er war mir so nahe, dass ich all die faszinierenden kleinen Goldsprenkel – wahrscheinlich Narrengold – in seinen Schokoladenaugen sehen konnte.
»Eigentlich nicht …«, räumte ich ein, »auch wenn ich ursprünglich dachte, du machst nur ein oder zwei schnelle Skizzen, nicht Dutzende.«
»Du wirst in gelötetem und geschweißtem Stahl für die Nachwelt unsterblich gemacht«, versprach er mir, zweifellos eines der besten Angebote, das man mir seit langer, langer Zeit unterbreitet hatte – und eindeutig um Klassen besser als das Popcorn mit Cola, das Sam mir bei unserem Kinobesuch gekauft hatte.
»Wo ist Merlin?«, fragte er.
»Ich habe ihn oben im Haus gelassen. Ich war nicht sicher, ob er ins Atelier darf oder nicht.«
»Ja, er kommt immer mit mir, außer wenn Besuch in Gestalt von Waldnymphen ihn mir abspenstig macht«, antwortete er trocken, und dann saßen wir schweigend, aber in kameradschaftlicher Stimmung nebeneinander, tranken unseren Kaffee und aßen Mince-Pies .
»Tut mir leid, dass ich dich heute Morgen angefahren habe, ich hatte mich über etwas aufgeregt«, sagte ich schließlich.
»Ist schon in Ordnung – möchtest du darüber reden?«
Ich wich seinem forschenden Blick aus und schüttelte energisch den Kopf. »Die anderen sind auf den Speicher gegangen, um Kostüme für das Theater herauszusuchen«, sagte ich und wechselte das Thema. »Wenn Coco so weitermacht, werden wir am Ende unsere Rollen ebenfalls schauspielern müssen, auch wenn ich für meinen Teil den Text dann ablesen muss, denn ich werde nicht die Zeit haben, ihn auswendig zu lernen.«
»Ich kann den Text auch nicht auswendig: Sonst haben Becca, Tilda und Noel größtenteils die Lesung bestritten. Wenigstens dauert es nicht lange, denn es ist nicht nur ein ziemlich kurzes Stück, sondern Noel hat auch den ganzen Slapstick und die Sachen mit Malvolio herausgestrichen und kurze zusammenfassende Kommentare zur Verbindung der Szenen erstellt«, meinte er, dann warf er mir unter seinen buschigen, dunklen Augenbrauen hervor einen Seitenblick zu und bemerkte mit seinem ohnehin durchdringenden Bass in noch tieferer Tonlage: »Aber wenn wir die Rollen spielen, schätze ich doch, dass ich durchaus ein paar passende Gesten hinbekomme.«
Wieder zuckten seine Mundwinkel nach oben, ich war mir allerdings nicht ganz sicher, was er damit meinte, da die meisten seiner Gesten mir gegenüber bis jetzt hochgradig unpassend gewesen waren, zum Beispiel mich am Heiligabend in sein Schlafzimmer zu zerren!
Jude kam mit mir zum Haus zurück, und wir gingen außen herum durch den Hof bei den Stallungen, wo wir feststellten, dass Becca gerade die Pferde hereingebracht und angefangen hatte, Nutkin zu striegeln.
»Ich habe mit den anderen Verstecken gespielt, aber Tilda und ich wurden hinter den Wohnzimmervorhängen als Erste entdeckt«, erklärte sie. »Einer meiner Füße hatte herausgeschaut. Es wurden alle gefunden bis auf Coco, da dachte ich mir, ich überlasse das den anderen und sehe mal besser nach den Pferden. So mager wie sie ist, ist sie womöglich in einen Spalt zwischen den Bodendielen
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