Hollys Weihnachtszauber
große, herrische, wortkarge Männer attraktiv fände, ist Jude so gut wie sicher mein Cousin.«
»Aber höchstens zweiten Grades.«
»Ja, sein Vater war der Bruder meines Großvaters … glaube ich«, antwortete ich angestrengt nachdenkend.
»Das ist nicht allzu eng verwandt«, meinte sie aufmunternd. »Dafür kann man nicht belangt werden.«
»Ach, Laura! Du bist genauso schlimm wie Jess.«
»Das kleine Mädchen? Will sie euch verkuppeln?«
»So klein ist sie eigentlich gar nicht – sie ist fast dreizehn und wird genauso groß wie die anderen Martlands. Aber es stimmt, sie versucht Jude und mich bei jeder Gelegenheit zusammenzubringen. Sie vergöttert Jude, und wir geben anscheinend die ideale Besetzung für Ersatzeltern ab, da ihre Eltern nicht hier sein können. Ich glaube, es gefiele ihr, eine Dauereinrichtung daraus zu machen, aber ich habe ihr schon gesagt, dass daraus nichts wird!«
»Ja, ja, das berühmte letzte Wort«, sagte Laura, und ich erklärte ihr, sie sei eine hoffnungslose Romantikerin, doch in diesem Fall könne sie es ruhig gleich aufgeben.
Drüben im Pub fand ich Coco, die Wodka mit Soda trank, und Guy und Michael mit Biergläsern im Gespräch über Fußball, ein Thema, das mich weniger interessierte. Also bestellte ich Kaffee und plauderte stattdessen mit Nancy, bis ich die anderen schließlich zum Gehen drängen musste, weil sonst an diesem Tag kein Mittagessen auf den Tisch gekommen wäre.
Dadurch war es sehr viel später als sonst, als ich Jude seinen Lunch ins Atelier hinunterbrachte, und er wirkte leicht verstimmt, als ich ihm den Grund dafür erklärte, aber wahrscheinlich hatte nur nagender Hunger seinen Inspirationsfluss zum Stocken gebracht.
Nachdem er gegessen hatte, wurde er wieder vergnügter, und während er arbeitete, tauschten wir immer wieder kameradschaftlich einige Bemerkungen aus – im Wechsel mit ebenso kameradschaftlichem Schweigen. Ich finde die Zeit im Atelier bemerkenswert entspannend …
Judes gute Laune hielt den Rest des Tages über an, bis er kurz nach unserer nächsten, völlig überflüssigen Theaterprobe plötzlich wieder den »muffigen Neandertaler« gab. Ich glaube, das lag daran, dass er in die Küche geplatzt kam, als Michael und ich uns gerade über Cocos Schauspielerei lustig machten.
Ich sagte eben mit alberner Fistelstimme Olivias Text auf: »Nein, komm, ich bitte. Wenn du von mir nur raten lässt?«, und Michael riss mich als Sebastian in seine Arme und rief leidenschaftlich: »Madam, das werde ich!«
»Entschuldigt die Störung!«, sagte Jude und ließ das Tablett mit Gläsern so hart auf den Tisch fallen, dass eines umkippte und zerbrach, dann ging er wieder hinaus und knallte als Zugabe die Küchentür hinter sich zu.
Michael nickte mir mit wissendem Blick zu, und ich warf den Ofenhandschuh nach ihm. Okay, ich geb’s ja zu, dass Jude eifersüchtig ist. Aber das heißt noch lange nicht, dass er wirklich etwas von mir will, und das ist nur gut so – weil ich mir inzwischen ziemlich sicher bin, dass er mein Cousin ist!
Als ich an diesem Abend gemütlich ins Bett gekuschelt Omas letztes Tagebuch durchblätterte, um die richtige Stelle zu finden, fiel ein kleines Schwarz-Weiß-Foto heraus und flatterte auf meine Bettdecke.
Es zeigte unverkennbar Ned Martland – ich kannte diese Gesichtszüge aus dem Familienalbum mittlerweile nur zu gut. Er sah jedoch sehr jung und attraktiv aus, wie er da neben einem Motorrad aus Vorkriegszeiten stand. Auf die Rückseite hatte er geschrieben: »Mit all meiner Liebe, dein Ned.«
Offenbar hatte er es nicht für nötig gehalten zu erwähnen, dass ihr all seine Liebe nur vorübergehend zuteilwurde.
Um es besser betrachten zu können, lehnte ich das Foto gegen meinen Wecker und versuchte, aus seinen Gesichtszügen auf seinen Charakter zu schließen. Darüber schlief ich dann ein – und plumpste mitten in ein Wirrwarr von Träumen, in denen Jude Teile alter Motorräder zusammenschweißte und dabei nicht mehr als seine Schutzbrille am Leib trug …
Ganz schön heißer Stoff, kann ich euch sagen. Als ich aufwachte, war ich völlig verschwitzt.
Kapitel 34
Angetaut
Mr Bowman sagte, wenn Tom nicht im Krieg sein Leben gelassen hätte, wären wir inzwischen verheiratet und hätten eine Familie, und Tom würde sicher wollen, dass er mir hilft. Seiner Meinung nach gab es da nur einen einzigen Weg, und zwar, mich unter den Schutz seines Namens zu stellen, also bat er mich kurzerhand, ihn zu heiraten. Er
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