Hollys Weihnachtszauber
ist der freundlichste und großzügigste Mensch auf der ganzen Welt, und da ich keine andere Möglichkeit sah, nahm ich sein Angebot dankbar an.
Juni 1945
Wieder kam Jude am nächsten Tag früh herunter, noch immer in zutiefst missmutiger und schweigsamer Stimmung, die dadurch, dass ich nach den glühend heißen Träumen der letzten Nacht nicht in der Lage war, ihm direkt in die Augen zu sehen, wahrscheinlich nicht besser wurde.
Dann verschwand er, sobald er mit Becca nach den Pferden gesehen hatte, wieder nach oben, sodass niemand da war, der mich während der Küchenarbeit mit Tee versorgte oder mir mit dieser oder jener kleinen Bemerkung beim Zubereiten des Frühstücks half … und irgendwie vermisste ich auch die kameradschaftlichen Schweigepausen. Es ist schon merkwürdig, wie schnell man sich an etwas gewöhnt … oder an jemanden.
Als Becca durch die Küche ging, fragte sie mich, ob wir uns gestritten hätten. »Ich weiß gar nicht, was heute Morgen in den Jungen gefahren ist!«
»Nicht dass ich wüsste, allerdings hat er seit gestern Abend kaum mit mir gesprochen«, erklärte ich ihr, erwähnte jedoch nicht meine Vermutung, dass er es vielleicht falsch aufgefasst hatte, mich wieder in Michaels Armen zu erwischen, denn dies hätte zu einer ganzen Reihe anderer Fragen führen können, über die ich gar nicht nachdenken wollte.
Er kam erst wieder herunter, als bis auf Tilda und Jess alle anderen schon ihr Frühstück aßen, und selbst dann setzte er sich nicht hin, sondern machte sich nur selbst ein dickes Schinken-Sandwich und wickelte es zum Mitnehmen in Folie ein.
»Heute brauche ich dich nicht«, sagte er kurz angebunden zu mir.
»Kann ich dann mitkommen, Onkel Jude?«, fragte Jess erwartungsvoll.
»Nein«, sagte er und ging hinaus, Merlin folgte ihm ausnahmsweise – auch wenn er sich mit kummervollem Blick noch einmal nach mir umdrehte. Vielleicht hängte er sich nun doch wieder enger an seinen Herrn?
»Ich hasse Onkel Jude!«, schimpfte Jess.
»Ich dachte, ich wäre derjenige, den du hasst, kleine Morticia?«, sagte Guy.
»Nur wenn du mich kleine Morticia nennst, Onkel Guy«, antwortete sie, und er verzog gequält das Gesicht.
»Ärger dich nicht über Jude, anscheinend ist er heute aus irgendeinem Grund schlecht gelaunt«, sagte ich. »Ich glaube, er hat gar nicht darüber nachgedacht, was er sagt. Wo jetzt offenbar Tauwetter einsetzt, könntest du vor dem Haus einen Schneemann bauen, solange es noch reichlich Schnee gibt. Wenn ich das Frühstück abgeräumt habe, komme ich hinaus und helfe mit.«
»Könnte ich schon machen«, meinte sie schmollend. Ich hatte gehofft, einer der anderen würde anbieten mitzumachen, aber Michael hatte beschlossen, den Weg bergauf zu gehen und seine Exfrau anzurufen, in der Hoffnung, dass sie ihn doch noch mit seiner Tochter sprechen ließ, und sonst schien niemand besonders erpicht darauf, auch wenn Noel ankündigte, er würde später nachsehen kommen, was der Schneemann für Fortschritte machte.
Als ich etwa zwanzig Minuten später hinausging, war Jess allerdings nirgends zu sehen, und nichts deutete auf irgendwelche Aktivitäten hin, abgesehen von einer Schaufel, die aufrecht in einem Stück unberührten Schnees steckte und einer Spur von Fußabdrücken, die in Richtung Zufahrt vom Haus wegführten.
Ihre Gummistiefel und ihr Mantel fehlten, also sah ich zuerst im Hof und auf der Koppel nach, dann im Haus, ohne Ergebnis. Michael war zurückgekommen und spielte mit Guy in der Bibliothek Snooker, doch als ich fragte, sagten die beiden, sie hätten Jess nicht gesehen.
»Ich habe ganz vergessen, hinauszugehen und nach dem Schneemann zu schauen«, gestand Noel schuldbewusst, als ich wieder ins Wohnzimmer kam und von ihrem Verschwinden berichtete.
»Ich wette, sie ist zum Atelier hinuntergegangen, um Jude zu bedrängen, sie mit dem Modellierton herumwerkeln zu lassen«, mutmaßte Becca.
»Oh ja, so wird es sein«, meinte Noel, »auch wenn sie vorher natürlich einem von uns hätte sagen sollen, wo sie hingeht.«
»Aber dann hätten wir sie davon abgehalten, Jude zu stören«, betonte Tilda. »Ihr wisst ja, was für ein Brummbär er sein kann, wenn er mit einer Idee beschäftigt ist.«
»Er kann auch sonst ein Brummbär sein«, sagte Coco. Sie saß vor dem Puzzle und hatte wahrscheinlich noch ein paar Teile in die falschen Lücken gequetscht. Dann schwebte sie hinaus, vermutlich zu einem Festschmaus der letzten, mit Flusen überzogenen Fruity-Go vom
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