Hollys Weihnachtszauber
könnte es auch nur eine raffinierte Finte sein, um bis zu Edwinas Rückkehr ins Torhaus täglich das Mittagessen gebracht zu bekommen.
Nach dem Frühstück stand Tilda auf und beschloss, sich mit Noel und Becca einen alten Film auf Video anzusehen – Musicals mögen sie offenbar ganz besonders.
Jess und Guy brannten darauf, wieder zum Schlittenfahren hinauszugehen, aber ich glaube, Michael wäre ganz gern noch am Küchentisch sitzen geblieben, um Kaffee zu trinken und mit mir über Rezepte zu plaudern – Coco schlug allerdings vor, wenn er nicht nach draußen ginge, könnten sie ja ihre Liebesszenen miteinander proben, und da überlegte er es sich doch anders. Am Ende gingen wir alle hinaus, auch wenn ich früher als der Rest wieder hereinkam, um für später einen Schokoladen-Flammeri-Hasen zu machen, nachdem der erste bei Jess so gut angekommen war und auch bei allen anderen als Überraschungserfolg gepunktet hatte. Dann richtete ich ein schönes Mittagessen an, mit Truthahn-Schinkenpastete, warmem Knoblauchbrot (Knoblauchpaste auf vorgebackenen Baguettes aus der Speisekammer) und der letzten Dose Fleischpastete.
Nachdem das Mittagessen abgeräumt war, brach ich mit Judes herzhaftem Picknick und der großen Thermoskanne Kaffee zum Atelier auf.
Bis dahin hatte Coco sich durchgesetzt und für diesen Nachmittag mit Michael Theaterproben ihres Parts angesetzt – allerdings nicht allein, sondern mit Noel, der hilfsbereit meine und Judes Textstellen las, und Jess, die mit ihrer Krone auf dem Kopf für die Requisiten sorgte.
Als ich ins Atelier kam, war Jude mit der Herstellung des Stützgerüsts fertig und schweißte nun wie Blätter geformte Metallteile außen herum, unterbrach jedoch und gab mir eine Schutzbrille, wie auch er sie trug.
»Die Funken fliegen bestimmt nicht bis zum Podest, oder?«, fragte ich, obwohl mir auffiel, dass Merlin sich nach dem ersten Blick auf seinen Herrn gleich darunter verkrochen hatte.
»Nein, aber das Licht der Flamme ist sehr hell, da geht man besser auf Nummer sicher«, antwortete er und machte sich wieder an die Arbeit. Wie gestern schon wollte er mich anscheinend einfach nur in der Nähe haben, ohne mich wirklich zu brauchen.
Die Flamme wurde aus zwei verschiedenartigen Glaszylindern gespeist, und ich fand, es sah alles durchaus gefährlich aus, aber er schien genau zu wissen, was er tat.
»Hast du wirklich vor, Jess das beizubringen?«, fragte ich und schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein, als er endlich Schluss machte, um sein spätes Mittagessen zu verzehren.
»Ja, warum nicht?« Er setzte sich neben mich auf die Kante des Podests. »Es ist völlig ungefährlich, wenn ich sie die ganze Zeit über im Auge behalte – ich weiß, was ich tue. Allerdings würde ich gerne damit warten, bis sie dreizehn ist und für einen Teil ihrer Sommerferien hierherkommt.«
»Verbringt sie den Großteil ihrer Schulferien bei Noel und Tilda?«
»Kommt ganz darauf an – ihre Eltern sind viel unterwegs. Du hast sicher schon mitbekommen, dass Roz und ihr Mann Nick Wildtiere erforschen und Dokumentationen drehen, von daher landet Jess ziemlich oft hier bei Noel und Tilda. Aber manchmal fliegt sie auch mit an exotische Drehorte.«
»Du bist ihr Lieblingsonkel, seit du zurückgekommen bist, hat ihre Stimmung sich deutlich aufgehellt.«
»Dich hat sie aber anscheinend auch sehr ins Herz geschlossen – wie Merlin ist es ihr am liebsten, wenn wir uns beide im selben Raum befinden!«
»Ich bin sicher, ich war nur deine Stellvertretung, und eigentlich bist du ihre wirkliche Bezugsperson«, antwortete ich. »Erstaunlich, wie klaglos sie es hinnimmt, dass ihre Eltern so viel reisen und sie ins Internat gehen muss.«
»Eigentlich liebt sie es. Es ist eine erstaunlich altmodische Schule, ähnlich wie in den Büchern von Enid Blyton, wo die Mädchen reiten gehen und Haustiere halten können, aber wenn sie älter sind als dreizehn, müssen sie woandershin, und das wird ihr schwerfallen. Wenn ich eigene Kinder hätte, würde ich sie nicht so aufziehen wollen, du etwa?«, fragte er mit einem raschen Seitenblick, den ich nicht zu deuten vermochte. »Ich hätte sie gerne um mich und nicht irgendwo weit weg von zu Hause untergebracht.«
»Ich auch, wozu hat man denn sonst Kinder?«, stimmte ich ihm zu, und wir schwiegen eine Minute. Ich dachte über ein Leben als alleinerziehende Mutter nach und wie anders es im Vergleich zu meiner armen Oma für mich werden würde – trotzdem war es noch immer
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