Hollys Weihnachtszauber
immer, es gäbe eine Störung in der Leitung.«
»So ist es – einer der Masten, an dem die Telefonleitungen aufgehängt sind, ist umgefallen und hat den nächsten mitgerissen. Ist alles in Ordnung? Wie geht es dir?«
»Ach, mir geht es gut, und das Baby strampelt wie verrückt. Die anderen drei sind irre aufgeregt wegen Weihnachten, und Dan ist hilfreicherweise eben verschwunden, vermutlich um mein Geschenk zu kaufen. Immer in letzter Minute! Aber wie geht es dir? Ich mach mir Sorgen um dich, weil du dir so viel auflädst und so isoliert bist.«
»Als isoliert würde ich Old Place nun wirklich nicht beschreiben, Laura!«
»Du klingst ein bisschen bedrückt – was sonst gar nicht deine Art ist. Was ist los, wird es dir doch zu viel?«
»Natürlich nicht – du kennst mich doch, bei Herausforderungen blühe ich erst richtig auf«, versicherte ich ihr, auch wenn sie noch gar nicht wusste, zu was für einer Herausforderung meine derzeitige Stellung sich ausgewachsen hatte! »Aber mir geht etwas durch den Kopf, das ich mit dir besprechen möchte, weil ich wissen will, was du davon hältst, und ob ich mir da nur etwas einbilde.«
»Na, dann schieß los, erzähl mal.«
»Es geht um Omas Tagebücher. Die Situation zwischen ihr und Ned Martland hat sich ziemlich aufgeheizt und … tja, ich glaube, sie hatten Sex .«
»Lieber Himmel«, sagte sie sanft, »ich hätte gedacht, Sex wurde erst in den Sechzigern erfunden.«
»Für brave Rätselhafte-Baptisten-Mädchen wie Oma gab es dergleichen ganz gewiss noch nicht, schon gar nicht im Jahr 1945! Sie muss überzeugt gewesen sein, dass sie beide heiraten, doch offensichtlich ist daraus nichts geworden – und seit ich kürzlich herausgefunden habe, dass Ned bei einem Unfall ums Leben kam, hoffe ich, dass es daran lag, und nicht daran, dass er sie verlassen hat!«
»Hast du denn gar nicht vorgeblättert, um es herauszufinden?«
»Nein, denn ehrlich gesagt ist so viel los, dass ich zur Schlafenszeit total erschöpft bin, und tagsüber habe ich kaum eine Minute für mich, auch wenn ich heute Morgen bei meiner ersten Tasse Kaffee noch einmal schnell hineingeschaut habe.«
»Und hast du herausgefunden, was passiert ist?«
»Nein, sie ringt seitenlang mit ihrem Gewissen, aber ich habe das aktuelle Tagebuch in die Küche gestellt und vertiefe mich darin, wann immer ich eine freie Minute habe. Was mir aber Sorgen macht, ist, dass Noel erzählt hat, Ned sei, was Frauen anbelangt, ein schlimmer Schlawiner gewesen: charmant und liebenswert, aber unzuverlässig. Ich frage mich ständig: Was, wenn Oma schwanger wurde und sich darauf verlassen hat, dass er eine ehrenhafte Frau aus ihr macht?«
»Greifst du da nicht ziemlich weit vor? Davon war doch noch gar nicht die Rede, oder?«
»Bis jetzt nicht, aber ich frage mich einfach immer wieder …« Ich stockte. »Laura, du weißt, ich bin sonst eher nüchtern und sachlich, aber ich habe vom Augenblick meiner Ankunft an das Gefühl gehabt, hier zu Hause zu sein und irgendwie … hierher zu gehören. Außerdem werde ich ständig für ein Familienmitglied gehalten – selbst Noel vergisst, dass ich es nicht bin. Die Martlands sind alle groß und dunkel, nur dass sie keine hellgrauen Augen haben wie Oma und ich.«
»Deine Oma war zwar nicht groß, aber hatte sie in ihrer Jugend nicht auch dunkles Haar?«
»Ja, und sie meinte, dass ich so dunkel bin, käme von ihrer Seite der Familie – ihre Vorfahren waren aus Liverpool, einem Seefahrerhafen, und ich habe immer angenommen, dass ein guter Anteil fremdländisches Blut mit im Spiel ist. Vielleicht bilde ich mir also die Ähnlichkeit mit den Martlands auch einfach nur ein … Meine Mutter war auch recht groß und hatte schwarze Haare«, fügte ich hinzu, obwohl das weder in der einen noch in der anderen Hinsicht irgendetwas bewies. Leider habe ich keine Ahnung, wie mein Vater aussah, denn als meine Mutter kurz nach meiner Geburt starb, ist er nach Australien ausgewandert und aus unserem Leben verschwunden. Oma hat ihn aus allen Hochzeitsfotos fein säuberlich herausgeschnitten.
Es gab Gerüchte, dass er dort drüben eine neue Familie gegründet hat, sodass ich womöglich irgendwo Halbgeschwister habe, doch obwohl ich einmal den Versuch unternommen habe, ihn aufzuspüren (ohne Omas Wissen), war nichts dabei herausgekommen.
»Ich sehe schon, worauf du mit all dem hinauswillst, Holly, aber es könnte trotzdem nur Zufall sein, dass du groß und dunkel bist. Und da dein
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