Hollywood
Joe, sich endlich zu setzen, und im gleichen Augenblick verdämmerten auch schon die Lichter. Fünfzehn Minuten lang liefen Judis Probeaufnahmen über die Leinwand. Sie sang, sie tanzte, sie sprach Teile des Dialogs – und alles war miserabel. Nur die Farbaufnahmen am Strand waren gut. Sie trug einen Badeanzug und rannte über den Sand in die Wellen. Dann kam sie wieder zurück, und die Kamera zeigte jedes Geheimnis ihres jugendlichen Körpers: die harten Nippel auf ihren vollen Brüsten und die winzigen Schamhaare, die aus ihrem hauchdünnen Badeanzug herausquollen. Die Bilder liefen ohne Ton und endeten mit einer Nahaufnahme ihres Gesichts. Sie keuchte, weil sie rasch gelaufen war, und ihr geöffneter Mund vermittelte den Eindruck höchster Erregung. Man konnte glauben, sie hätte einen Orgasmus. Dann war der Streifen zu Ende. Die Leinwand wurde erst weiß und dann schwarz, und dann ging das Licht wieder an.
Joe sagte nichts, und auch die anderen gaben keinen Kommentar ab. Alle warteten auf A.J.
Schließlich stöhnte der Filmboß vernehmlich. »Wir haben ganz schön daneben gehauen«, sagte er seufzend.
»Vielleicht braucht sie noch ein bißchen Unterricht?« gab Mr. Metaxa hoffnungsvoll zu bedenken.
»Wir haben ihr die besten Lehrer gegeben«, sagte A.J. »Und sie hatte drei Monate Zeit. Es hat alles nichts genutzt. Alle Lehrer haben das Handtuch geworfen. Nein, wir stecken ganz tief in der Klemme. Ich habe Steve Cochran angeheuert für fünfzehntausend und für weitere zehntausend Pat O'Brien von Warner Brothers geliehen. Habt ihr gesehen, wie ihre Möse in dem Badeanzug vorsteht? Sie sah dicker aus als der Schwanz eines schwulen Tänzers in Strumpfhosen. Wenn ich ihr kein Röckchen verpasse, komme ich damit nie an der Zensur vorbei.«
»Wieviel haben wir denn schon investiert?« fragte Metaxa.
»Cinecolor schulde ich jetzt schon fünfundsiebzigtausend Dollar; dabei sind sie nur halb so teuer wie Technicolor. Zusammen mit allen anderen Verpflichtungen beläuft sich die Summe auf knapp zweihunderttausend«, sagte A.J. trübsinnig.
»Wenn Sie nun einen Unfall hätte«, sagte Cohen nachdenklich. »Glauben Sie, die Versicherungen würden bezahlen?«
»Erst, wenn wir schon in der Produktion sind«, sagte A.J. »Außerdem können wir so etwas nicht riskieren.«
»War ja nur so eine Idee«, sagte Cohen.
»Wirklich schade«, sagte Ray Stern. »Joe hat eins der schönsten Drehbücher geschrieben, das ich je gelesen habe. Ich habe mich schon so auf die Dreharbeiten gefreut. Können wir nicht Maria Montez oder Yvonne de Carlo von Universal ausleihen?«
»Das geht nicht«, sagte A.J. »Wir haben einen Film mit Judi Antoine angekündigt. Die Verleiher und Kinobesitzer erwarten, daß wir uns daran halten.«
»Aber eine bestimmte Handlung haben wir nicht angekündigt?« fragte Joe.
»Nein«, sagte A.J. »Wir haben den Film mit den Pin-up-Fotos verkauft.«
»Wie wäre es mit ›Sheena, Königin des Dschungels‹?« fragte Joe.
»Schön und gut«, sagte A.J. »Aber Sie wissen doch, daß dieser Film schon vor Jahren gedreht worden ist. Monogram hat die Rechte.«
»Dann machen wir eben die ›Königin der Amazonen‹«, sagte Joe. »Steve Cochran und Pat O'Brien sind Flugzeugpiloten und stürzen mit ihrer Maschine über dem Urwald ab. Dann werden sie von einem unbekannten Amazonenstamm entdeckt und gefangengenommen. Den Film haben wir schon tausendmal gedreht, aber er kommt immer wieder hervorragend an. Alles, was wir brauchen, ist eine Leinwand voll halbnackter Mädchen, von denen Judi die Königin ist. Sie brauchte wahrscheinlich keine zwei Zeilen zu sprechen. Sie ist ein weiblicher Tarzan. ›Du Steve, ich Judi, wir machen Liebe.‹ Wenn Sie wissen, was ich meine.«
A.J. starrte ihn nachdenklich an. »Das könnte vielleicht sogar hinhauen«, sagte er schließlich. »Wie lange brauchen Sie für das Skript?«
»Zehn Tage oder zwei Wochen, ganz, wie Sie wollen.«
A.J. warf dem Bankier einen fragenden Blick zu. »Was meinen Sie, Mr. Metaxa?«
»Ich verstehe nichts von Kunst«, sagte Metaxa. »Aber ich verliere nicht gern mein Geld, ehe eine einzige Szene gedreht worden ist.«
»Er hat recht«, sagte Cohen. »Versuchen Sie es.«
A.J. wandte sich wieder an Joe. »Sie können gleich anfangen«, sagte er.
»Das ist ein völlig neuer Auftrag«, sagte Joe. »Wieviel springt für mich dabei raus?«
A.J. starrte ihn empört an. »Wie können Sie in dieser Krise an Geld denken?«
Joe schwieg. Er war gar nicht
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