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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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der Hand auf Hannes Schulter. »Nein, lassen Sie mich
    raten!«
    Sie legte den Kopf schräg und musterte Hanne Wilhelmsen.
    »Juristin«, sagte sie schließlich. »Sie sind bestimmt Anwältin oder etwas
    Ähnliches.«
    Hanne lächelte und rieb sich mit dem Fingerknöchel des Zeigefingers das linke
    Auge.
    »Close enough. Polizei. Ich bin Hauptkommissarin.«
    »Wie interessant.«
    Die andere klang durchaus ehrlich. Ihre Hand streichelte zweimal Hannes
    Oberarm. Sie überprüfte Schläuche und Tropfgestell und schlich dann zur Tür.
    »Sagen Sie Bescheid, wenn Sie sich das mit dem Bett anders überlegen«,
    flüsterte sie. »Ziehen Sie einfach an der Klingelschnur, dann bin ich sofort
    hier. Gute Nacht!«
    »Gute Nacht«, murmelte Hanne.
    Sie hörte auf dem Gang Schritte kommen und gehen. Manche hatten es eilig,
    andere schlurften gelassen dahin. Ab und zu hörte sie leise Rufe der
    Krankenpfleger, und aus der Ferne waren Polizeisirenen zu vernehmen.
    »Hanne«, flüsterte Cecilie und versuchte, den Kopf hin und her zu bewegen.
    »Ich bin hier«, erwiderte Hanne und beugte sich vor. »Hier.«
    »Ich bin so froh darüber.«
    Hanne griff nach der schmalen Hand und versuchte, nicht die Kanüle zu
    berühren. »Wie fühlst du dich?«
    »Es geht schon«, stöhnte Cecilie. »Kannst du mir beim Aufrichten helfen? Ich
    möchte gern sitzen.«
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    Hanne zögerte kurz und schaute hilflos zur Klingelschnur, die die freundliche
    Schwester zurückholen würde. Sie selbst traute sich nicht, etwas anderes zu
    berühren als Cecilies Hand.
    »Jetzt hilf mir doch«, sagte Cecilie und mühte sich damit ab, den Kopf höher
    zu schieben.
    Hanne nahm die beiden zusätzlichen Kissen, die am Fußende lagen, und schob
    sie hinter Cecilies Rücken. Dann schaltete sie die Nachttischlampe ein und
    richtete den Lichtschein auf die Wand, um den kräftigen Strahl zu dämpfen.
    »Wie fühlst du dich denn?« fragte Cecilie und sah sie an.
    Hanne war nicht sicher, ob ihre Augen etwas ganz Neues enthielten, oder ob
    der Blick Reste von etwas zeigte, das einmal existiert hatte.
    »Ich fühle mich schrecklich«, sagte sie.
    »Das sehe ich. Komm her.«
    »Ich bin hier, Cecilie.«
    »Komm zu mir. Komm näher.«
    Hanne hob ihren Sessel auf und rückte sechs Zentimeter weiter. Cecilie hob
    fast unmerklich die Hand.
    »Noch näher. Ich will dich richtig sehen.«
    Ihre Gesichter waren jetzt nur wenige Zentimeter voneinander getrennt.
    Hanne nahm den Geruch des kranken Atems wahr. Sie legte ihre Handfläche
    an Cecilies Gesicht.
    »Was machen wir jetzt?« flüsterte sie.
    »Eigentlich mußt du das entscheiden«, sagte Cecilie fast unhörbar.
    »Wie meinst du das?«
    Hanne ließ ihren Daumen sanft über Cecilies Wange fahren, wieder und
    wieder. Sie staunte darüber, wie weich Cecilies Haut war, weich und ein wenig
    feucht, als habe sie einen Spaziergang im Nebel gemacht.
    »Du mußt eine Entscheidung treffen«, sagte Cecilie
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    und räusperte sich leise. »Du mußt dich entscheiden. Wenn ich diesen Weg
    allein gehen muß, dann will ich es jetzt wissen.«
    Hanne schluckte. Und schluckte noch einmal.
    »Natürlich wirst du nicht allein sein.«
    Sie hätte so gern noch mehr gesagt. Sie wollte sagen, wie leid ihr alles tue. Sie wollte von ihrer eigenen Trauer darüber erzählen, daß soviel nicht mehr so
    war, wie es sein sollte, von ihrem Gefühl, daß alles zu spät sei und daß sie
    vielleicht nie bereit gewesen war, den Preis für das zu bezahlen, was sie sich
    mehr als alles andere im Leben wünschte. Hanne wollte sich zu Cecilie ins Bett
    legen. Sie wollte sie umarmen, so, wie sie sich früher umarmt hatten. Sie
    wollte ihre Hände über Cecilies Leib wandern lassen und versprechen, daß von
    nun an und so lange sie zusammen leben dürften, alles anders werden sollte.
    Nicht wie früher, sondern viel besser, richtiger. Wahrer. Alles sollte wahr
    werden.
    Aber sie schloß den Mund. Im Lichtschein der Lampe sah sie in Cecilies
    schmalem Gesicht den Anflug eines Lächelns.
    »Du hast nie gut reden können, Hanne. Das war das Schwierigste, glaube ich.
    Es ist oft unmöglich zu wissen, was du denkst.«
    Sie lachte kurz, ein trockenes, heiseres Lachen. »Das weiß ich«, sagte Hanne.
    »Tut mir leid.« »Das hast du so oft gesagt.« »Das weiß ich. Tut mir. . . « Jetzt lächelten sie beide.
    »Ich will jedenfalls bei dir sein«, sagte Hanne und beugte sich noch tiefer.
    »Ich will die ganze Zeit bei dir. . . «
    Behutsam schmiegte sie ihre Wange an Cecilies.

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