Holunderküsschen (German Edition)
wasserfesten Wimperntusche au s zusprechen.
Seufzend mache ich mich ans Werk. Die Zeiten, in denen ich kurz vor dem Weggehen nur eine getönte Tagescreme und etwas Mascara aufgetragen habe, sind längst vorbei. Mittlerweile beherbergt mein Regal im Badezimmer eine beachtliche Ansammlung von Anti-Aging Cremes und Make-ups mit lichtreflektierende n Partikel n , um die ersten Fältchen zumindest optisch ve r schwinden zu lassen . . Gelobt sei die moderne Kosmetikindustrie. Abends gehe ich ni e ins Bett ohne mich sorgfältig abzuschminken und eine Nachtcreme mit möglichst vielen Wirkstoffen au f zutragen. Auf Sprüche wie: „Ich liebe jede einzelne meiner Falten, denn sie erzählt eine G e schichte“, kann ich voll verzichten. Ich will meine Geschichten selbst erzählen und vor allem nicht mit mein em Gesicht!
Puh, fertig. Endlich! Ein letzter kontrollierender Blick in den Spiegel. Gar nicht übel für e i ne neunundzwanzigjährige Frau.
Aber was ist das?
Ich trete einen Schritt zurück, um das Desaster zu begutachten. Unter meinem Achseln schimmern dunkle , verräterische Schweißflecken. Dieses blöde Öko-Deo, das mir meine Mutter geschenkt hat, scheint seinen Dienst vorzeitig aufgegeben zu haben. Panisch sehe ich mich um. A n der Wand hängt eines dieser Turbogebläse, mit denen man seine Hände trocknen kann. Das Ding schickt der Himmel!
Ich drücke den roten Knopf des Gerätes und sofort pustet das Teil unter lautem Getöse warme Luft in den Raum. In gebückter Haltung stelle ich mich so unter das Gebläse, dass die warme Luft genau auf meine Achseln trifft.
Prima! Die zweite Seite ist fast trocken, als eine Gruppe junger Mädchen gackernd den Raum betritt. Bevor ich es verhindern kann, haben sie mich entdeckt. Mein Anblick, wie ich halbgebückt unter dem Gebläse hänge, macht die Mädchen sofort sprachlos. Ich werfe ihnen ein Ist-alles-völlig-normal-Lächeln zu und sehe zu, dass ich mit meinem hochroten Kopf Land g e winne . Beim Rausgehen höre ich die jungen Mädchen laut losprusten.
... D ie Arme hat bestimmt ihre Wechseljahre.
... I ch hab ja gleich gesagt, hier sind nur Ältere...
Na toll! Haben die keine Augen im Kopf? Ich und Wechseljahre! Ich stehe in der Blüte meines Lebens. Ich bin der Inbegriff von Jugend! Wütend und ein kleines bisschen frustriert gehe ich zurück zu Katja an den Tisch, schnappe mir mein Glas und trinke es mit einem Zug leer.
„Oha!“, sagt Katja. „Was ist denn mit dir passiert? Du guckst, als wäre dir unterwegs E.T . begegnet.“
„So was Ähnliches!“ Ich drehe mich suchend nach Jan um. Ups. Fast hätte ich das Gleic h gewicht verloren.
„ Sollten wir nicht langsam mal nach Hause?“, drängelt Katja. Die alte Nervensäge!
„Jetzt geht der Spaß doch erst richtig los!“ Ich schnappe mir Katjas Glas und trinke es mit einem Zug leer. „So, und jetzt will ich tanzen ...“
„Pumbi, ich finde wirklich, wir sollten gehen.“
„Auf keinen Fall! Wo ist mein Prinz?“
Katja schüttelt den Kopf „Falls du den Kleinen von vorhin suchst, der wollte nur kurz einen Drink holen und ist seitdem nicht mehr aufgetaucht. Da hat sich dein Prinz wohl zum Frosch verwandelt.“
„Echt komisch! Ich leide und du machst dich lustig über mich.“
„Ach komm schon. So war es doch nicht gemeint“, lenkt Katja ein. „Sergej hat mich gerade angerufen. Er ist früher fertig als gedacht und würde auf einen Drink in der China Lounge vorbe i schauen.“
„Wirklich?“ Im selben Moment als ich es ausgesprochen habe, weiß ich, ich hätte lieber den Mund halten sollen. Aber das war schon immer mein Problem. Wenn ich etwas getrunken habe, liegt mein Herz auf der Zunge und alles verlässt ungefiltert meinen Mund.
„Warum fragst du so komisch?“
„Na ja, ich meine ...“
„Was?“
Auf Katjas Stirn bildet sich diese gefährliche Falte, die sie immer bekommt, wenn sie kurz davor ist zu explodieren.
„Du weißt schon ...“
„Was denn?“
„Du weißt, ich mag Sergej! Aber ich kann ihn mir beim besten Willen nicht hier vorste l len...“
„Du meinst, er ist zu alt?“
Dünnes Eis! Vorsicht jetzt!
„Ich dachte einfach, er steht mehr auf klassische Musik“,
„Und wenn schon ...
„Hey, da bist du ja wieder!“ Jan steht plötzlich vor mir.
„Tschuldigung, ich musste dringend mal für kleine Mädchen“, kichere ich wie ein Bac k fisch. Katja ver dreht die Augen.
„Ich wollte kurz nach draußen, eine durchziehen. Kommst du mit?“, fragt
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