Holz und Elfenbein
klar, was Federico so auf die Palme brachte: Das, was der Pianist sich mühsam erarbeiten musste und die vielen Quälereien mit seinem Stipendium. All das blieb anderen Studenten völlig erspart, Studenten wie Alexis oder auch Lucrezia, deren Eltern über das nötige Kleingeld verfügen konnten.
Federico fuhr fort: »Dass ich hier kostenlos wohnen kann, das kann ich noch irgendwie verkraften, weil ich einfach hoffe, dass du mich wirklich liebst und mich nicht nur aus Mitleid aufgenommen hast. Auch, dass du das gesamte Haushaltsgeld zahlst und die Geschenke... Aber, dass du einfach so Geld locker machst, nur damit ich weiter mein Stipendium erhalte, das... das geht schlicht und ergreifend zu weit.«
»Aber so läuft es nun einmal. Ob du willst oder nicht«, entgegnete Alexis trocken. Das hätte er besser auch nicht gesagt.
»Siehst du!«, ereiferte sich Federico aufs Neue. »Genau das meinte ich. Genau diese Haltung kotzt mich so an. Ja, mag sein, dass es so läuft, aber du betonst es auch immer. Kein Wunder, dass es heißt du seist arrogant.«
Alexis seufzte. »Fedri...«
»Nein, ich will nichts hören.«
»Herrgott, jetzt sei doch vernünftig!« Jetzt war es an Alexis die Stimme zu heben. »Ich wollte dir nur helfen. Ich hatte die Chance dazu, also habe ich es auch getan.«
»Dann hättest du es lieber gleich richtig gemacht und mir dieses letzte grauenhafte Konzert vor Weihnachten auch noch erspart. Du hättest ja noch ein paar Hundert Franken drauf legen können.«
Mit geschlossenen Augen ließ sich Alexis die Wand hinabrutschen und saß auf dem Boden. So wie das aussah, würde er noch länger hier vor der Tür verweilen müssen.
»Aber du hast es mir nicht einmal gesagt. Du hast dir wohl auch nie auch nur den leisesten Gedanken darum gemacht, wie ich mich dabei fühlen muss. Ich habe den Eindruck, dass ich für dich einfach ein Typ bin, der sich für eine Monatsmiete in den Arsch ficken lässt.«
»Federico, deine Ausdrucksweise ist...«
»Scheiß auf meine Ausdrucksweise!« Wieder ein Tritt gegen die Dusche.
Ab jetzt würde er schweigen, schwor sich Alexis und verschränkte die Arme vor der Brust. Sonst ging wirklich noch etwas zu Bruch und er wollte nicht wissen, wie Federico darauf reagieren würde, wenn er ihm jetzt unter die Nase rieb, dass er die Schäden zu bezahlen hatte, weil Federico sich Handwerkerrechnungen ohnehin nicht leisten konnte.
Zwei Stunden schwiegen sie sich gegenseitig an und Alexis hatte es schließlich nicht mehr länger auf seinem Platz im Flur gehalten. Er lief unruhig im Wohnzimmer auf und ab.
So langsam forderte die Natur ihre Rechte ein und er musste auf die Toilette, aber das Bad war ja immer noch von Federico besetzt, der sich auch nach gutem Zureden und zahlreichen Entschuldigungen nicht dazu bringen ließ die Tür zu öffnen. Immerhin hatten sie sich nicht mehr angebrüllt, aber das konnte auch daran liegen, dass sie beide heiser geworden waren.
Alexis sah ein, dass es falsch gewesen war, Federico nichts von der Spende gesagt zu haben. Aber er hatte es mit den besten Absichten getan, er hatte doch nur gewollt, dass Federicos prekäre Lage sich etwas besserte. Von Federicos Standpunkt hatte er die Sache gar nicht betrachtet, dass dieser sich möglicherweise verletzt vorkommen musste. Das hatte er dann auch zugegeben, aber selbst darauf hatte Federico nichts mehr erwidert.
Einen schwachen Moment lang wägte Alexis ab, ob er so weit gesunken war und eine leere Getränkeflasche benutzen sollte um seine akuten körperlichen Nöte zu lindern. Aber das war ja lächerlich. Federico konnte sich ja auch nicht auf ewig im Badezimmer verbarrikadieren.
Seufzend lehnte er sich gegen die verschlossene Tür. »Fedri, ich muss dringend aufs Klo«, bekannte er freimütig. »Wäre es möglich...?«
Das Schloss klickte, die Tür öffnete sich. Federico trat heraus und Alexis stürzte in höchster Not zur Toilette.
»Federico, ich habe dich verletzt, das weiß ich jetzt, kannst du nicht...«, begann er als er wenig später aus dem Badezimmer kam, doch schon spürte er den kalten Lufthauch, der durch die Wohnung zog.
Die Tür nach draußen war offen und Federicos Jacke fehlte.
»Verdammte Scheiße.« Alexis schloss die Tür. Er würde Federico nicht noch einmal nachgehen. Wie das sprichwörtliche Häufchen Elend sank er auf der Couch zusammen.
Wo mochte Federico hingehen? Er würde doch keine Dummheit begehen, oder?
Wahrscheinlich würde er nur einmal um den Block laufen und
Weitere Kostenlose Bücher