Holz und Elfenbein
nicht.« Federico griff wieder nach seinem Löffel und rührte damit in der Suppenschale herum. »Ich dachte, ich könnte es für dieses Jahr gut sein lassen. Nicht noch ein Konzert und noch eine Auslandsreise. Ich schaffe das nicht mehr.« Den letzten Satz sprach er mehr zu sich selbst, aber Claude hatte es gehört und er sah es Federico an, dass es nicht nur leere Worte waren, sondern er es todernst gemeint hatte.
»Hast du abgesagt?«
»Ich habe gar nichts gesagt.«
»Wenn du es nicht willst, dann musst du ihm absagen.«
»Ich weiß, aber...«
Claude erriet sofort, was das Problem war. »Das Stipendium?«
»Ja, glaubst du die investieren weiter Gelder in mich, wenn sie erfahren, dass ich kurz vor dem Zusammenbruch stehe?«
»Jetzt mach es nicht schlimmer als es ist. Du brauchst nur etwas Ruhe und mal ein paar freie Tage. Rede doch nicht gleich von einem Zusammenbruch. Willst du nichts mehr? Du hast ja kaum etwas gegessen!«
Doch Federico stand schon vom Tisch auf.
»Ich gehe auf mein Zimmer. Muss noch einen Aufsatz für morgen durcharbeiten. Wir sehen uns.«
5
Wenigstens eines wusste er jetzt - und Alexis war sich nicht sicher, ob er für diese Gewissheit dankbar sein sollte - Federico Batist war nicht schwul und schien diese Vorstellung auch nicht besonders amüsant zu finden. Alexis konnte sich noch genau an den schockierten Gesichtsausdruck von Federico erinnern als dieser ihm sein ›Nein!‹ entgegen geschleudert hatte auf die Frage, ob er denn nicht schwul sei. Von wegen er würde Federico nach einer gewissen Zeit nicht mehr so faszinierend finden. - Was er sich versucht hatte einzureden. Das Gegenteil war sogar der Fall! Er brannte förmlich darauf die Bekanntschaft mit Federico zu vertiefen. Oh, wie das klang!
Besser er machte sich nichts vor, er suchte die Nähe zu dem Pianisten. Es war ein Zufall gewesen, dass er Federico an diesem Morgen im Park getroffen hatte. Aber es hatte ganz und gar nichts Zufälliges an sich gehabt, dass Alexis einen Sprint hingelegt hatte, der olympiareif gewesen war, nur damit er Federico rechtzeitig hatte abfangen können.
Zunehmend ärgerte er sich über sein Gefühlsleben. Am liebsten würde er zu Federico gehen, ihm sagen, dass er sich in ihn verliebt hatte, dann hätte er es wenigstens hinter sich. Aber dies war nicht unbedingt ein sehr bedachter und ausgeklügelter Plan, der Erfolg versprechend war.
Sogar jetzt als er sein schmutziges Geschirr in die Spülmaschine räumte, musste er an Federicos Lachen zurückdenken. Wie sich diese Grübchen an Federicos Mund bildeten. Aber ganz besonders diese Augen hatten es ihm angetan: Sie waren von einer unglaublich tiefen grünen Farbe. Blonde Haare und grüne Augen, eine ungewöhnliche Mischung. Alexis hatte mit grünen Augen immer eine gewisse Wildheit und Leidenschaft verbunden, Federico war das genaue Gegenteil von wild und leidenschaftlich. Oder zumindest trug Federico diese Züge nicht nach außen. Ob der Pianist wohl etwas von seiner Reserviertheit verlor, wenn er vor dem Klavier saß? Alexis hatte ihn noch nie live spielen gesehen. Etwas, was er unbedingt einmal nachholen musste. Oder vielleicht brach die Leidenschaft im Bett durch? Stille Wasser gründeten bekanntlich tief. Nein, falsches Thema. Er schoss hier einmal wieder übers Ziel hinaus.
Nachdem Alexis seine Hausarbeiten erledigt hatte, warf er einen ungeduldigen Blick auf die Uhr. Frank schien sich zu verspäten, dabei hatte ihm der Freund doch noch eine SMS geschrieben, dass er die Autobahn gerade verlassen und bald vor Alexis‘ Wohnung stehen würde. Alexis kannte Frank Taylor schon von ihrer Zeit im Kindergarten und den gemeinsam verbrachten Ferien im Sommer. Auch wenn Alexis‘ Familie überall auf der Welt zu Hause war, seine Sommerferien hatte er immer in England auf dem Anwesen der Familie verbracht. Doch ihre Freundschaft ging noch viel tiefer als gemeinsame Jugendstreiche. Frank hatte zur gleichen Zeit wie er entdeckt, dass er anders war als die übrigen Jungs, die sich begannen für Mädchen zu interessieren.
Frank war der erste Junge gewesen, den Alexis geküsst hatte und nicht nur das. Alexis erinnerte sich mit einer Spur Wehmut an jenen bestimmten Abend zurück. Er und Frank waren alleine auf dem Anwesen der Arrowfields geblieben, die Eltern waren ausgegangen. Beide waren noch viel zu schüchtern gewesen um sich einen Partner in einem der Clubs zu suchen, mit dem sie ihr erstes Mal verbringen wollten. Aber andererseits wollten sie es
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