Holz und Elfenbein
und keiner sieht es‹, dachte er sich und wollte die gut gemeinte, tröstende Geste nicht einfach so zurückweisen.
Leise murmelte er: »Ich hoffe, dass sie stolz auf mich wären.«
»Sicher wären sie das«, gab Alexis mit Bestimmtheit zurück. »Ich finde es gut, dass du dich von den Konzerten zurückziehst um dein Spiel zu verbessern«, griff er Federicos vorherige Bemerkung auf. »Nur so kannst du besser werden und deinen eigenen Stil finden.«
»Ja, das sage ich auch, aber meine Dozenten sehen es nicht immer so.«
»Das kenne ich«, stimmte Alexis zu und schaute sich um. »Ich wohne hier gleich um die Ecke. Willst du noch mitkommen was trinken?«
»Oh, ich habe schon genug getrunken für einen Abend«, wehrte Federico ab.
»Es muss ja kein Bier sein. Vielleicht einen Tee?«
Federico musste lachen, Alexis erfüllte so sehr das Klischee eines Engländers, oder besser gesagt das Klischee, das Federico im Kopf hatte. Zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Tee zu trinken, gehörte für ihn definitiv dazu. Doch wunderte er sich, dass Alexis in diesem Viertel eine Wohnung bezogen hatte. Die Mieten waren hier nicht gerade erschwinglich und so wie das Wohnhaus aussah, war es da keine Ausnahme: Ein frisch renovierter Altbau.
Einzig die hohen Decken und der Stuck im Inneren verrieten, dass die Bausubstanz schon in die Jahre gekommen war. Die Heizkostenabrechnung im Winter musste wohl der reinste Horror sein. Die Wohnung war großzügig bemessen, zumindest den Teil den Federico einsehen konnte, und kein Vergleich zu seinem Zimmer im Wohnheim. Hier hätte er keinerlei Probleme einen Konzertflügel unterzubringen.
Die Wohnungstür führte direkt in das Wohnzimmer mit einer bequem aussehenden Couch und Sessel. Links davon, hinter einer abgemauerten Wand konnte er eine Küche und einen kleinen Tisch ausmachen. Doch was Federico stutzig werden ließ, war das Objekt, das an der rechten Wand des Wohnzimmers untergebracht war.
»Eine Orgel!«, platzte es aus ihm heraus. »Du hast eine Orgel in deiner Wohnung stehen?«, fragte er fassungslos. So etwas hatte er noch nie gesehen, aber war ja auch noch nie in der Wohnung eines Organisten gewesen. Zugegeben, es war keine richtige Pfeifenorgel, wie man sie in den Kirchen antraf. Federico bezweifelte, dass es überhaupt technisch machbar war eine Pfeifenorgel in einer Wohnung aufzustellen.
Alexis ging an ihm vorbei, zog die Jacke aus und warf sie einfach über die Lehne der Couch
»Es ist nur eine elektronische Orgel. Aber praktisch zum Üben, so muss ich nicht jedes Mal ins Konservatorium oder in die Kirche gehen, wenn ich etwas einstudieren möchte. Außerdem stört es nicht die Nachbarn, wenn ich noch nachts spielen will.« Er zeigte auf ein paar Kopfhörer, die daneben auf dem Boden lagen. »Ich habe sie erst letztes Jahr in den USA gekauft.«
»Kann ich sie aufmachen?« Immerhin war es das Instrument eines anderen Musikers. So etwas galt es zu respektieren.
»Klar.«
Federico schob die Lade beiseite, die den oberen Teil des Instrumentes abdeckte: Zwei Manuale und eine stattliche Anzahl von Registern. Er kannte sich zwar nicht so gut auf diesem Gebiet aus, aber so eine Orgel war gewiss nicht billig. Auf keinen Fall konnte sich ein normaler Student etwas Vergleichbares leisten. Gut, Alexis war alles andere als normal, so viel stand fest, aber eine Orgel!
»Wie viel kostet eigentlich so eine Orgel?«
Alexis zögerte kurz: »Rund 13.000.«
»13.000... was?«
»Dollar«, kam die leise Antwort, als ob sich Alexis dafür schämen würde.
13.000 Dollar! Das war für Federico einfach unvorstellbar auf einen Schlag so eine astronomische Summe auszugeben. Ganz zu schweigen davon, dass er noch nie über so einen Geldbetrag hatte verfügen können.
»Wie kannst du dir das nur leisten?«, fragte er freiheraus. »Eine Wohnung gleich am Campus, auch noch frisch renoviert und das bei diesen Mietpreisen. Eine eigene Orgel. Ganz zu schweigen von den Studiengebühren«, fragte er misstrauisch.
Alexis wandte ihm den Rücken zu, zuckte mit den Schultern und ging in die Küche. Er begann Teewasser aufzusetzen und schien zu überlegen, ob und was er Federico erzählen sollte.
Taktvoll gewährte dieser ihm die nötige Zeit zum Nachdenken und schälte sich aus seiner Jacke während er nun die übrige Einrichtung einer genaueren Musterung unterzog. Die Möbel, das alles wirkte nicht direkt protzig, aber es waren keine Möbel, die man schnell im Baumarkt kaufte und dann selbst
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