Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
bringen.« Brad Pitt hätte als Tyler Durden wahrscheinlich zu einer anderen Taktik geraten, aber die oberste Regel im Matheklub lautete: Sprich über den Matheklub. Die Mitglieder wurden sogar dazu aufgefordert zu missionieren. Der harte Kern bestand aus Autoren der Simpsons, aber der Matheklub stand Lehrern, Forschern und allen anderen Mathe-Interessierten in Los Angeles offen.
Das erste Treffen des Matheklubs fand im September 2002 in Brunns Wohnung statt. Im Einführungsvortrag sprach J. Stewart Burns über »Surreale Zahlen«. Burns hatte mit einer Doktorarbeit in Mathematik begonnen, bevor er zu den Simpsons stieß. Alle Kollegen von Burns hielten nacheinander Vorträge im Matheklub etwa über »Eine Einführung in die Graphentheorie« und »Vermischte Aufgaben zur Wahrscheinlichkeitsrechnung«.
Im Matheklub trafen sich ganz zwanglos Freunde und Kollegen, die ein Interesse teilten, aber die Dozenten hatten oft makellose akademische Referenzen. Ken Keeler, der einen Vortrag über »Subdivisions of a Square« (»Zerlegungen eines Quadrats«) hielt, ist einer der mathematisch begabtesten Autoren der Simpsons. Sein Summa-cum-laude-Abschluss von der Harvard University weist ihn als einen der Besten im Bachelor-Jahrgang von 1983 in Angewandter Mathematik aus. Danach wechselte er zur Stanford University, wo er einen Masterabschluss in Elektrotechnik machte, bevor er nach Harvard zurückkehrte und dort seinen Doktortitel in Angewandter Mathematik mit einer knackigen Doktorarbeit über »Map Representations and Optimal Encoding for Image Segmentation« (»Kartendarstellung und optimale Codierung für die Bildsegmentierung«) erwarb. In dieser Zeit begegneten sich Keeler und Jeff Westbrook. Sie forschten auf demselben Gebiet und verfassten gemeinsam einen Fachartikel über »Short Encodings of Planar Graphs and Maps« (Kurzcodierungen für planare Graphen und Karten). 28 Sie schrieben außerdem gemeinsam eine Folge der Fernsehserie Star Trek: Deep Space Nine, in der zwei Stand-up-Comedians bei ihren Auftritten alle Aliens im Publikum beleidigen und dadurch einen Krieg auslösen.
Der Matheklub gewann immer mehr Mitglieder. Manchmal mussten Treffen im Freien abgehalten werden mit einem ausgemusterten Leintuch als Projektionsleinwand, damit alle Mitglieder Platz fanden. Die meisten Zuhörer, knapp 100 Menschen, kamen zu den Vorträgen der ganz großen Mathematiker wie Dr. Ronald Graham, leitender Wissenschaftler am California Institute for Telecommunications and Information Technology (Cal(IT) 2 ). Graham hatte mehr als zwanzig Artikel mit Paul Erdős verfasst, und er verbreitete die Idee der Erdős-Zahlen. Außerdem wurde Grahams Zahl nach Graham benannt, die im Jahr 1977 den Rekord für die größte Zahl aufstellte, die je in einer mathematischen Veröffentlichung verwendet wurde. Durch den Vergleich mit dem Planck-Volumen, der kleinsten Volumeneinheit in der Physik, bekommt man eine gute Vorstellung von dieser Zahl. In ein einziges Wasserstoffatom passen 1073 dieser Einheiten. Wenn man Grahams Zahl so in die Materie des Kosmos schreiben würde, dass jede Ziffer nur ein Planck-Volumen einnimmt, würde das gesamte bekannte Universum nicht ausreichen, um sie niederzuschreiben. Daher sei nur erwähnt, dass die letzten zehn Ziffern 2464195387 lauten.
Einen besonders denkwürdigen Vortrag im Matheklub hielt David S. Cohen, der Schöpfer von Homers letztem Satz. Cohen sprach über seine Forschungen, bevor er Comedy-Autor wurde. Nach seinem Abschluss an der Harvard University verbrachte Cohen ein Jahr im Robotik-Labor von Harvard, bevor er für ein Masterstudium in Informatik an die University of California nach Berkeley wechselte. In Berkeley untersuchte Cohen das sogenannte Pfannkuchen-Sortierproblem, und auf diesem Thema baute sein Vortrag im Matheklub auf.
Formuliert wurde dieses Problem erstmals im Jahr 1975 von Jacob E. Goodman, einem Geometer am City College in New York, der das Pseudonym Harry Dweighter benutzte (das ausgesprochen wird wie »harried waiter« = genervter Kellner). Er schrieb:
Der Koch in unserem Restaurant arbeitet schlampig. Wenn er einen Stapel Pfannkuchen bäckt, sind alle unterschiedlich groß. Ich sortiere sie dann auf dem Weg zum Tisch des Gastes (sodass der kleinste am Schluss oben liegt, der nächstgrößere darunter und der größte ganz unten). Dazu nehme ich mehrere Pfannkuchen von oben und drehe sie um und wiederhole das (mit jeweils unterschiedlich vielen Pfannkuchen) so oft wie nötig.
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