Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik (German Edition)
unsere Kinder, das werden Horrorwesen mit rosa Haut, ohne Überbiss und mit fünf Fingern an jeder Hand.«
Doch trotz der fehlenden Finger zählen die Einwohner von Springfield mit der Basis 10 und nicht mit der Basis 8, denn sie drücken π als 3,141… aus. Warum also kam eine Gemeinschaft mit nur acht Fingern pro Person auf die Idee, ihr Zahlensystem auf der Zahl 10 aufzubauen?
Möglicherweise zählten die gelben Vorfahren von Homer und Marge mit mehr als nur ihren Fingern. Sie könnten ihre acht Finger und zwei Nasenlöcher gezählt haben. Das klingt eigenartig, aber mehrere Kulturen haben tatsächlich Zahlensysteme auf Basis von mehr als nur ihren Fingern entwickelt. Die Männer des Yupno-Stamms in Papua-Neuguinea weisen verschiedenen Körperteilen die Zahlen 1 bis 33 zu, angefangen bei den Fingern über die Nasenlöcher bis zu den Brustwarzen. Am Ende der Zählung bekommt der linke Hoden die Zahl 31, der rechte die 32, und die 33 steht für die »Männlichkeit«. Auch europäische Gelehrte wie Beda Venerabilis experimentierten mit Zählsystemen auf Basis von Körperteilen. Der englische Theologe des 8.Jahrhunderts entwickelte ein System, mit dem er durch Gesten und alle Teile der menschlichen Anatomie bis 9999 zählen konnte. Alex Bellos schreibt in seinem Buch Alex im Wunderland der Zahlen, Bedas System sei »eine Mischung aus Arithmetik und Körperkunst.« Doch das Zählen mit Fingern, Daumen und Nasenlöchern ist nicht die einzige Theorie, um die Verwendung des Dezimalsystems bei den Simpsons zu erklären. Wäre es nicht ebenso denkbar, dass Zahlen im Zeichentrickuniversum nicht von Menschen, sondern von einer höheren Macht erfunden wurden? Als Rationalist widerstreben mir übernatürliche Erklärungen, doch tatsächlich taucht Gott in mehreren Episoden der Simpsons auf. Und er ist der einzige Charakter in den Simpsons mit zehn Fingern.
KAPITEL 13
HOMER 3
Die erste Halloween-Episode »Horror frei Haus« wurde in der zweiten Staffel der Simpsons gesendet, und diese Episoden sind seither eine jährliche Tradition. Sie bestehen aus drei kurzen Geschichten, die nicht vom normalen Leben in Springfield handeln, sondern in denen alles Mögliche vorkommen kann, von Aliens bis Zombies.
David S. Cohen, einer der besonders mathematisch orientierten Autoren der Simpsons, schrieb den letzten Teil der sechsten Halloween-Folge »Die Panik-Amok-Horror-Show«, eine Geschichte mit dem Titel »Homer 3 «. In ihr ist die Mathematik so anspruchsvoll und elegant integriert wie in keiner anderen Folge seit dem Serienstart der Simpsons vor einem Vierteljahrhundert.
Die Handlung beginnt ganz harmlos mit einem Überraschungsbesuch von Patty und Selma, Homers Schwägerinnen, im Haus der Familie. Homer versteckt sich hinter einem Bücherregal, damit sie ihn nicht sehen. Dort befindet sich ein geheimnisvolles Portal zu einem anderen Universum. Homer hört, dass Patty und Selma die ganze Familie zum Reinigen und Ordnen ihrer Muschelsammlung einspannen wollen. In seiner Verzweiflung stürzt er durchs Portal, verlässt die zweidimensionale Welt von Springfield und betritt eine sagenhafte dreidimensionale Welt. Die zusätzliche Dimension verwirrt Homer, und er bemerkt etwas Schockierendes: »Was geht denn hier vor? Ich bin überall angequollen. Mein Bauch steht unheimlich vor …«
Statt im üblichen flachen Zeichenstil der Simpsons wurden die Szenen in dieser höheren Dimension mit brandneuen Methoden der Computeranimation erstellt. Sie sind zwar weniger als fünf Minuten lang, doch sie haben mehr gekostet als eine komplette normale Folge der Serie. Glücklicherweise bot eine Firma namens Pacific Data Images (PDI) ihre Dienste kostenlos an, weil sie in den Simpson eine globale Präsentationsplattform für ihre Technologie erkannte. Noch im selben Jahr unterzeichnete PDI einen Vertrag mit DreamWorks, der unmittelbar zur Produktion von Antz und Shrek führte und so die Revolution des Animationsfilms einläutete.
Als Homer sich dem Zeichen nähert, das die x-, y- und z -Achse in seinem neuen dreidimensionalen Universum anzeigt, spielt er auf die Tatsache an, dass er in der wohl technisch ausgereiftesten animierten Szene steht, die je im Fernsehen zu sehen war: »Mann, der Laden sieht ziemlich teuer aus. ich habe das Gefühl, ein Vermögen loszuwerden, nur weil ich hier stehe. Machen wir das Beste daraus.«
Und gleich nach seinem Eintritt in die neue Umgebung macht er noch eine passende Bemerkung: »That’s weird. It’s like
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