Homicide
unterstreichen, dass sie nun ganz ehrlich zueinander sein sollten.
»Der Freund deiner Mutter, dieser Frazier, er verkauft Drogen …«
Jackie Lucas antwortet nicht.
»Hat deine Mom für Frazier gedealt?«
»Ich weiß nicht …«
»Hör zu, das ist jetzt wirklich nicht das Problem. Ich muss es aber wissen, wenn ich herausfinden soll, wer sie umgebracht hat.«
»Sie hat das Zeug nur für ihn aufbewahrt«, sagt sie. »Sie hat nichts verkauft, jedenfalls soweit ich weiß.«
»Hat sie was genommen?«
»Na ja, sie hat gekifft. Ab und zu.«
»Kokain?«
»Glaub nicht. Nicht dass ich wüsste.«
»Und Frazier?«
»Ja, der schon.«
»Glaubst du, Frazier könnte deine Mutter ermordet haben?«
Jackie Lucas schweigt einen Moment, versucht, sich das vorzustellen. Langsam schüttelt sie den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass er es war«, sagt sie. »Er hat sie immer nett behandelt. Hat sie nie geschlagen oder so.«
»Jackie, ich muss dich das jetzt fragen …«
Die Tochter sagt nichts.
»Kannte deine Mutter, wie soll ich sagen, viele Männer?«
»Nein.«
»Ich meine, hatte sie viele, hm, Freunde?«
»Bloß Frazier.«
»Bloß Frazier?«
»Nur den«, sagt sie bestimmt. »Vor ’ner ganzen Weile hatte sie noch ’nen anderen, aber jetzt schon seit Langem nur noch Frazier.«
Garvey nickt nachdenklich.
Jackie bricht das Schweigen. »Im Präsidium haben sie gesagt, wir sollten Frazier nichts erzählen, sonst würde er sich aus dem Staub machen.«
Garvey lächelt. »Wenn er sich aus dem Staub macht, weiß ich wenigstens, wer es war, oder?«
Das leuchtet der jungen Frau ein.
»Ich glaube nicht, dass er’s war«, sagt sie schließlich.
Garvey versucht es anders. »Hat deine Mom jemand anderen in ihre Wohnung gelassen? Wenn sie allein war, ließ sie außer Frazier noch andere Leute rein?«
»Son Typ, der Vincent heißt«, antwortet sie. »Er arbeitet für Frazier, und er war manchmal wegen dem Stoff da.«
Garvey senkt die Stimme. »Glaubst du, sie hat was mit diesem Vincent gehabt?«
»Nie im Leben. Ich glaube nicht, dass Vincent jemals oben war, wenn Frazier nicht auch da war. Ich glaube, sie hätte ihn allein nicht reingelassen«, fügt sie jetzt hinzu. Offenbar hat sie ihre Meinung geändert.
»Weißt du, wie dieser Vincent mit Nachnamen heißt?«
»Booker, glaub ich.«
»Jackie«, sagt Garvey und kommt auf ein letztes Detail zu sprechen. »Vorhin hat du mir gesagt, dass Frazier eine Pistole im Schlafzimmer aufbewahrte.«
Die Tochter nickt. »Sie hatte eine 25er, und Frazier lässt manchmal eine 38er da.«
»Wir können sie nicht finden.«
»Sie hebt sie im Schrank auf«, erklärt die Tochter. »Im obersten Fach, ganz hinten.«
»Hör zu«, sagt Garvey, »wenn ich mit dir raufgehe, glaubst du, du könntest die Pistolen finden?«
Jackie nickt und folgt ihm.
»Ist es schlimm?«, fragt sie auf dem Weg nach oben.
»Was?«
»Das Zimmer …«
»Ah«, erwidert Garvey. »Tja, sie ist nicht mehr da … aber man sieht noch Blut.«
Der Detective führt die junge Frau in das hintere Zimmer. Jackie schaut kurz auf den roten Fleck, dann geht sie zu dem Metallschrank und holt die 25er hinten aus dem oberen Fach.
»Die andere ist nicht da.«
Aus einem Schrank direkt hinter dem Bett fördert sie außerdem einen Behälter mit etwas mehr als 1200 Dollar in bar zutage, Geld, das ihre Mutter kürzlich von einer Versicherung ausgezahlt bekommen hatte.
»Wusste Frazier von dem Geld?«
»Ja, klar.«
»Und wusste er auch, wo es war?«
»Ja.«
Garvey nickt und denkt einen Augenblick über die neue Information nach. Da schneit ein Polizist in Uniform herein. Er sucht den Detective.
»Was gibt’s?«
»Die anderen Angehörigen wollen hochkommen.«
Garvey blickt zum Spurensicherer. »Hast du alles, was du brauchst?«
»Ja, ich packe gerade zusammen.«
»Also, dann lass sie rein«, sagt Garvey zu dem Uniformierten, der sofort wieder hinunterläuft, um die Eingangstür zu öffnen. Kurz darauf nimmt ein halbes Dutzend Verwandte, darunter die Mutter und die ältere Tochter des Opfers, die Wohnung lärmend in Beschlag und verursacht ein einziges großes Chaos.
Die älteren Familienmitglieder stürzen sich auf die Vorräte in der Küche, den Farbfernseher und die Stereoanlage. In Gegenden wie derGilmor Street ist dies nach dem Tod eines Angehörigen gang und gäbe. Das hat weniger mit Gier als mit der Gewissheit zu tun, dass sämtliche Einbruchkünstler scharf auf die irdischen Hinterlassenschaften des
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