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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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gleich beim ersten Klingeln. Und dann mit gequälter Stimme: »Edgerton, Leitung eins. Klingt wie deine Frau.«
    Bei den alten Griechen hieß es, wenn die Götter jemanden wirklich bestrafen wollen, dann erhören sie seine Gebete. In der Powder Mill Road bekam nun James einen harten Fall der Extraklasse, einen knallharten Whodunit. Eine Schwarze zwischen dreißig und vierzig lag auf dem Bauch am Rand eines Waldwegs. Sie trug nur eine braune Jacke mit der Aufschrift »Checker Cab« auf der einen und »Karen« auf der anderen Brustseite. Kein Portemonnaie, keine Tasche, kein Ausweis. Schuhe, Hose und Unterhose lagen neben der Leiche. Drei Stunden nachdem sie gefunden wurde, entdeckte eine Einheit des Baltimore County das Checker-Taxi mit der Nummer 4 auf dem Parkplatz einer Gartenwohnung in Owings Mills, zehn bis zwölf Kilometer westlich der Stadtgrenze. Seine blinkenden Warnleuchten hatten die Aufmerksamkeit der Nachbarn auf sich gezogen; bei einem Anruf in der Zentrale des Taxiunternehmens stellte sich heraus, dass man seit neun Uhr morgens weder vom Wagen 4 noch von seine Fahrerin, Karen Renee Smith, etwas gehört oder gesehen hatte. Die eindeutige Identifizierung folgte kurz darauf.
    Der Mord an Karen Smith glich in nichts den vorherigen Frauenmorden in Northwest, doch angesichts des allgemeinen Stimmungstiefs mit solchen Feinheiten zu kommen, ist völlig müßig. Jetzt, einen Tag später, trommelt der Colonel seine Truppen zusammen und teilt jedem der Frauenmorde Leute zur Verstärkung zu, wobei er den Eindruck zu vermeiden versucht, er habe kein Vertrauen in die Arbeit der Mordkommissionen. In vierundzwanzig Stunden werden ihnen ein Dutzend Polizisten und Detectives von anderen CID-Sektionen zugewiesen – jedem der sechs Chefermittler für die Morde in Northwest zwei. Der kleine Vernehmungsraum im Nebengebäue wird in eine Art Kommandoposten umgewandelt, mit Karten und Diagrammen, Fotos der Opfer, Ablagen für den Papierkram. Für jeden Mord wird ein eigenerFahndungszettel zum Verteilen in den verschiedenen Vierteln um die Tatorte gedruckt.
    Die leitenden Detectives sollen die zusätzlichen Kräfte nutzen, um neue Spuren zu finden und alle offenen Fragen in den Fallakten zu beantworten. Sie sollen den Morden in Northwest höchste Priorität einräumen, und nicht zuletzt wegen des kürzlich erschienenen Zeitungsartikels, der die ganze Kampagne mit der Vermutung auslöste, es handle sich vielleicht um einen Serienkiller, sollen sie insbesondere auf alle nur möglichen Verbindungen zwischen diesen Morden achten.
    Einer der sechs Fälle – der Mord an Brenda Thompson, die Anfang Januar auf dem Rücksitz eines Dodge erstochen wurde – gerät mit einem anderen Fall in Konflikt, der ebenfalls Priorität genießt, dem Fall Latonya Wallace. Harry Edgerton ist der leitende Ermittler beim Thompson-Mord und gleichzeitig zweiter Detective beim Mord an dem kleinen Mädchen. Daher wird der Thompson-Fall an Bertina Silver übergeben.
    Edgerton und sein Sergeant, Roger Nolan, disputieren eine Weile mit D’Addario und dem Captain. Sie wenden ein, es sei unsinnig und purer Aktionismus, mitten in den Ermittlungen den leitenden Detective auszutauschen. Edgerton kennt die Akte und die Protagonisten, und vor allem hat er Stunden damit zugebracht, eine Arbeitsbeziehung zu seinem wichtigsten Verdächtigen aufzubauen, einem jungen Straßendealer, der für Brenda Thompson Drogen verkaufte und ihr Geld schuldete. Der Junge hatte sich bereits mehrfach freiwillig auf längere Vernehmungen eingelassen. Edgerton argumentiert, der Thompson Mord sei bereits zwei Monate alt und alles, was die Sondereinheit jetzt machen soll, könne auch noch zwei oder drei Wochen warten, bis dahin sei der Fall Latonya Wallace gelöst.
    Edgerton hat die Tradition und die unbestrittene Erkenntnis auf seiner Seite, dass sich niemand in einem Mordfall besser zurechtfindet als der Detective, der am Tatort war und die ersten Schritte unternommen hat. Aber die Chefs bleiben hart. Eine Polizeibehörde ist nicht unabhängig von äußeren Einflüssen, und wenn Zeitungen und Fernsehsender offen darüber spekulieren, ob im Northwest ein Serienmörder umgeht, zählen Tradition und Erfahrungen keinen Pfifferling mehr. Der Thompson-Fall geht an Bert Silver.
    In besseren Zeiten hätte sich Edgerton wahrscheinlich persönlich an D’Addario gewandt, doch jetzt, wo der Lieutenant selbst Probleme hat, wäre das zwecklos. Latonya Wallace, die miese Aufklärungsquote, die

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