Hongkong 02 - Noble House Hongkong
gemacht. Es war ihr erster gemeinsamer Urlaub. Und auch der letzte. Es war beiden zu schwer gefallen, sich zu beherrschen. »Ian ist phantastisch, nicht wahr?«
»Ja. Du auch.«
»Danke, geehrter Herr! Sie sind es auch.« Sie lachten glücklich.
In Kowloon zahlte Linc das Boot, und sie schlenderten Arm in Arm zum Hotel.
»Guten Abend, Sir, guten Abend, Missi«, sagte der alte Mann beim Lift. In ihrer Etage schlurfte Nachtzeit Tschang vor ihnen her und öffnete ihnen die Tür zu ihrer Suite. Automatisch gab ihm Linc einen Dollar, Nachtzeit Tschang verbeugte sich und schloß die Tür.
Sie sperrte sie ab.
»Einen Drink?« fragte er.
»Nein, danke.«
Sie bemerkte, daß er sie ansah. Sie standen mitten im Wohnzimmer, sein Schlafzimmer befand sich rechts, ihres links. Sie fühlte, wie die Ader in ihrem Hals pochte, ihre Lenden glühten, und er sah so gut aus.
»Nun, es ist … danke für den herrlichen Abend, Linc!« Aber sie bewegte sich nicht.
»Bis zu deinem Geburtstag sind es nur noch drei Monate, Casey.«
»Dreizehn Wochen und sechs Tage.«
»Warum vergessen wir sie nicht und heiraten morgen?«
»Du bist so wunderbar zu mir gewesen, Linc, so gut, du hast soviel Geduld mit meiner fixen Idee.« Sie lächelte ihn an. »Es dauert nicht mehr lange. Halten wir uns an unsere Abmachung, bitte!«
Er sah sie an, voll Verlangen. Dann sagte er: »Natürlich.« An seiner Tür blieb er stehen. »Casey, du hast recht mit dieser Stadt. Sie ist romantisch und erregend, sie verzaubert mich. Vielleicht ist es besser, du nimmst dir ein anderes Zimmer.«
Er schloß die Tür hinter sich.
MITTWOCH
1
5.45 Uhr:
Die beiden Rennpferde kamen sehr schnell aus der Kehre in die Zielgerade. Im Westen war der Himmel noch dunkel, und auf der Rennbahn in Happy Valley war die Morgenarbeit in vollem Gang.
Dunross ritt Buccaneer, den braunen Wallach, Kopf an Kopf mit Noble Star, die von seinem ersten Jockey Tom Leung geritten wurde. Dann sah Dunross das Zielband vor sich und verspürte plötzlich den dringenden Wunsch, seinem Pferd die Fersen in die Weichen zu drücken und das andere zu bezwingen. Der Jockey fühlte die Herausforderung und streifte ihn mit einem Blick, aber beide Reiter wußten, daß sie nur da waren, um die Tiere zu bewegen, nicht aber um sie ein Rennen laufen zu lassen, und darum zügelte Dunross sein brennendes Verlangen.
Beide Pferde hatten die Ohren zurückgelegt, und ihre Flanken waren naß von Schweiß. Beide spürten das Mundstück zwischen den Zähnen. In wilder Jagd galoppierten sie auf das Ziel zu, und weil das dem Training vorbehaltene Sandgeläuf der Innenbahn nicht so schnell war wie der sie umschließende Grasboden, mußten sie sich noch mehr anstrengen.
Noble Star hatte weniger Gewicht zu tragen. Sie fing an, sich nach vorn zu schieben.
Automatisch gebrauchte Dunross seine Fersen und stieß derbe Flüche gegen Buccaneer aus. Das Tempo wurde schneller. Die Lücke begann sich zu schließen. Dieser Galopp ging nur knapp über eine halbe Runde, und so hielt er sich für ungefährdet.
Kein gegnerischer Trainer konnte eine genaue zeitliche Berechnung anstellen, und darum trieb er sein Pferd hitziger an, und das Rennen war im Gang. Beide Pferde spürten es. Noble Star lag vorne; als sie fühlte, daß Buccaneer daran war, sie einzuholen, biß sie auf die Kandare, stürmte von sich aus vorwärts, zog davon und schlug Dunross um eine halbe Länge.
Nun verringerten beide Männer das Tempo und setzten ihren Ritt über die Rennbahn fort – ein Stück sattes Grünland inmitten von in Reihen übereinander angeordneten Hochhäusern. Sobald Dunross wieder die Endgerade erreicht hatte, beendete er das Training, hielt beim Führring an und stieg ab. Er klopfte dem Wallach liebevoll auf den Hals und warf einem Stallknecht die Zügel zu.
Dunross hatte sein Leben lang geritten. Als junger Mann hatte er selbst zweimal an Rennen der Saison teilgenommen – in Hongkong wurde der Pferdesport offiziell nur von Amateuren betrieben –, wurde aber dann von seinem Vater, dem damaligen Tai-Pan und obersten Rennleiter, und später dann nochmals von Alastair Struan unter der Androhung sofortiger Entlassung angewiesen, keine Rennen mehr mitzumachen. Er hatte sich gefügt und ritt jetzt nur mehr im Morgengrauen, wenn er in Stimmung war.
Das Aufstehen zu einer Zeit, wo die ganze Welt noch schlief, um in der ersten Dämmerung dahinzugaloppieren, die Körperbewegung, die Erregung, die Schnelligkeit und die Gefahr, all das
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