Hongkong 02 - Noble House Hongkong
letzten Nachrichten über John Tschen?«
»Es gibt keine, Ehrenwerter Herr, überhaupt keine«, antwortete der Mann; Schweißtropfen standen auf seiner Oberlippe. »Dabei ist doch eine extragroße Belohnung ausgesetzt.«
»Was? Wieviel?«
»100.000, wenn er innerhalb von drei Tagen gefunden wird.«
Die Polizeioffiziere stießen einen leisen Pfiff aus. »Wer hat die Belohnung ausgesetzt?«
Einfuß zuckte die Achseln. »Das weiß niemand, Herr. Einer der Drachen, sagen die Leute. Oder alle Drachen zusammen. 100.000 und Beförderung, wenn er innerhalb von drei Tagen … lebend gefunden wird. Bitte lassen Sie mich jetzt Ihr Essen bringen.«
Sie sahen ihm nach. »Warum bist du Einfuß so auf die Pelle gerückt?« fragte Armstrong.
»Ich habe die Nase voll von seiner glattzüngigen Scheinheiligkeit – und von allen diesen miesen kleinen Ganoven. Die neunschwänzige Katze würde unser Triadenproblem lösen. 100.000! Das kann kein gewöhnliches Kidnapping sein. Jesus, das ist ja eine Belohnung! Mit Johns Entführung muß es eine besondere Bewandtnis haben.«
»Sicher. Wenn das mit der Belohnung wahr ist.«
Aber sie waren sich nicht schlüssig geworden, und als sie auf den Rennplatz kamen, war Brian Kwok zum Telefon gegangen, um sich in seinem Büro zu melden, und Armstrong hatte sein Glas jetzt auf Butterscotch Lass gerichtet, die den Hügel hinauf in den Stall zurückgeführt wurde.
»Inspektor?«
»Guten Morgen, Mr. Marlowe.«
»Sind Sie schon so früh auf oder gehen Sie erst so spät schlafen?«
»Letzteres.«
»Ist Ihnen aufgefallen, wie Noble Star vorgeprescht ist, ohne daß der Jockey etwas dazugetan hätte? Donald McBride hat mich darauf aufmerksam gemacht.«
»Ah ja!« McBride war ein äußerst beliebter Rennleiter, ein auf die Erschließung von Bauland spezialisierter Eurasier, der 1949 aus Schanghai nach Hongkong gekommen war. »Hat er Ihnen auch gesagt, wer gewinnen wird? Wenn es einen Menschen gibt, der es weiß, dann er.«
»Nein, aber er hat mich für Sonnabend in seine Loge eingeladen. Schon was Neues über John Tschen?«
»Nichts.« Armstrong bekam Dunross in sein Feldglas. Der Tai-Pan unterhielt sich mit einigen Stewards. Nicht weit von ihm stand der Beamte des SI, den Crosse ihm zugewiesen hatte. Wenn es doch nur schon Freitag wäre, dachte der Polizeioffizier.
Je eher wir diese AMG-Akte sehen, desto besser. Er fühlte sich ein wenig unwohl und konnte nicht entscheiden, ob es Sorge um diese Papiere oder Sevrin oder einfach Müdigkeit war. Er wollte nach einer Zigarette langen und hielt inne. Du brauchst keine, sagte er sich. »Sie sollten das Rauchen aufgeben, Mr. Marlowe. Es ist sehr schlecht für Sie.«
»Ja, das sollte ich. Und wie halten Sie es durch?«
»Kein Problem. Dabei fällt mir ein: Der Alte hat Ihre Fahrt über die Grenzstraße genehmigt. Übermorgen, Freitag, pünktlich 6 Uhr früh vor dem Polizeipräsidium in Kowloon. Paßt Ihnen das?«
Peter Marlowe war außer sich vor Freude. Endlich konnte er einen Blick auf das chinesische Festland werfen! Im ganzen Grenzland der New Territories gab es nur einen einzigen Beobachtungsstand, von dem aus Touristen nach China hinüberschauen konnten, aber der Berg war so weit weg, daß es auch mit einem Fernglas nicht allzu viel zu sehen gab. »Wunderbar!« rief er begeistert. Armstrongs Rat folgend, hatte er dem Commissioner geschrieben und um Erlaubnis gebeten. Die Grenzstraße wand sich in Mäandern von Küste zu Küste. Ausgenommen Einheimischen in gewissen Gebieten, war sie für jedermann und für jeden Verkehr gesperrt.
»Unter einer Bedingung, Mr. Marlowe: Etwa ein Jahr lang dürfen Sie darüber weder sprechen noch schreiben.«
»Mein Wort darauf.«
Armstrong unterdrückte ein Gähnen. »Sie sind dann der einzige Amerikaner, der die Straße je gefahren ist.«
»Phantastisch! Danke!«
»Warum haben Sie sich eigentlich einbürgern lassen?«
»Ich bin Schriftsteller«, antwortete Peter Marlowe nach einer kleinen Pause. »Ich beziehe mein Einkommen hauptsächlich aus meiner schriftstellerischen Tätigkeit. Vielleicht möchte ich das Recht erwerben, auch Kritik üben zu dürfen.«
»Waren Sie schon einmal im Ostblock?«
»O ja. Im Juli war ich zu den Filmfestspielen in Moskau. Einer der Filme, zu dem ich das Drehbuch schrieb, war der amerikanische Beitrag. Warum?«
»Nur so«, antwortete Armstrong und dachte an die Moskauer Stempel in Bartletts und Caseys Reisepässen.
»Eine Hand wäscht die andere. Bartletts Gewehre …
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