Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Ich habe da etwas gehört.«
»Ach ja?« Sofort spitzte Armstrong die Ohren. Für Hongkong war Peter Marlowe ein bemerkenswerter Mann: Es machte ihm keine Schwierigkeiten, die Grenzen zwischen den gesellschaftlichen Schichten zu überschreiten, und er wurde von vielen Gruppen als Freund angesehen, die sich üblicherweise feindlich gegenüberstanden.
»Es ist wahrscheinlich nur leeres Gerede, aber einige Freunde haben da eine Theorie … Sie meinen, die Gewehre seien eine Probesendung gewesen, die für einen unserer chinesischen, in Schmuggelgeschäften tätigen Mitbürger bestimmt waren. Der sollte sie an eine dieser Guerillas weiterleiten, die in Südvietnam operieren; sie nennen sich Vietkong.«
»Das ist weit hergeholt, Mr. Marlowe«, brummte Armstrong.
»Mag sein. Aber diese Sendung war etwas Besonderes. Sie sollte in aller Eile geliefert werden. Haben Sie schon etwas von der Kampfgruppe Delta gehört?«
»Nein«, antwortete Armstrong verblüfft. Er konnte nicht verstehen, daß Marlowe von etwas wußte, was laut Rosemont von der CIA eine unter strengster Geheimhaltung stehende militärische Operation war.
»Soviel mir bekannt ist, handelt es sich dabei um eine Abteilung von amerikanischen Soldaten, die eine besondere Ausbildung erhalten haben und in Vietnam als Einheiten der American Technical Group – ein Deckname für die CIA – operieren. Wie es scheint, sind sie dabei so erfolgreich, daß der Vietkong dringend moderne Waffen in großer Menge braucht und bereit ist, gut dafür zu zahlen. Darum wurden sie in Bartletts Flugzeug eilig herangeschafft.«
»Hat er etwas damit zu tun?«
»Meine Freunde bezweifeln es«, antwortete Marlowe nach einer Pause. »Jedenfalls kommen die Gewehre aus Beständen der US Army, nicht wahr? Nun, sobald diese Probesendung Anklang gefunden hätte, wäre die Lieferung in großem Umfang ein leichtes gewesen.«
»Wie denn das?«
»Die Vereinigten Staaten würden die Waffen liefern.«
»Was?«
»Na sicher.« Peter Marlowe schmunzelte. »Es ist doch ganz einfach. Nehmen Sie einmal an, der Vietkong würde im voraus über Versandtermine, Bestimmungsort, Mengen und Art der Rüstungsgüter – von Handfeuerwaffen bis zu Raketen – informiert?«
»Jesus!«
»Und Sie wissen doch, wie es in Asien zugeht. Ein bißchen h’eung yau da und dort, und es wäre ein Kinderspiel, die Ladungen zu kapern – eine nach der anderen.«
»Damit könnten sich die Burschen ein richtiges Vorratslager einrichten«, sagte Armstrong entsetzt. »Aber wie sollen die Waffen bezahlt werden? Durch eine hiesige Bank?«
Peter Marlowe sah ihn an. »Opium en gros. Lieferung hierher. Eine unserer Banken übernimmt die Finanzierung.«
Der Polizeioffizier blies die Backen auf. Die Einzelteile des Puzzlespiels fügten sich nahtlos zusammen. »Wirklich schön ausgedacht«, sagte er.
»So ist es. Irgend so ein mieser Verräter in den Staaten gibt diese Daten einfach weiter. Damit bekommt der Feind alle Waffen und Munition, die er braucht, um unsere eigenen Soldaten abzuknallen. Und er zahlt dafür mit einem Gift, das ihn nichts kostet – ich könnte mir vorstellen, daß es überhaupt die einzige verkäufliche Ware ist, die sie in Mengen besitzen und nachliefern können. Das Opium wird von chinesischen Schmugglern hierhergeliefert und hier zu Heroin verarbeitet.«
»Wie ich schon sagte: wirklich sehr fein ausgedacht. Was manche Schweinehunde doch für Geld alles machen!« Armstrong ließ die Schultern sinken und überlegte kurz. »Haben Sie den Namen Banastasio schon einmal gehört?«
»Klingt italienisch.« Peter Marlowe verzog keine Miene. Seine Informanten waren zwei Eurasier, portugiesische Journalisten. Sie verabscheuten die Polizei. Er hatte sie gefragt, ob er der Polizei ihre Theorie weitergeben dürfe. »Selbstverständlich«, hatte Vega geantwortet, »aber die Bullen werden sie Ihnen nicht abnehmen. Zitieren Sie uns nicht und nennen Sie keine Namen – weder Vierfinger Wu noch Schmuggler Mo, die Tsching Prosperity Bank, Banastasio oder sonst jemanden!«
»Was haben Sie noch gehört?« fragte Armstrong nach einer kleinen Pause.
»Eine ganze Menge, aber ich muß heim. Heute ist die Reihe an mir, die Kinder aus den Betten zu holen, Frühstück zu machen und sie in die Schule zu bringen.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Nur eines noch, Inspektor. Ein mir freundlich gesinnter Zeitungsmann bat mich, Ihnen zu sagen, daß in Macao bald ein paar große Tiere der Rauschgiftszene
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