Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Tschen gehört?«
»Ja, Sir, vor ein paar Minuten. Schreckliche Sache.«
»Finde ich auch. Der arme Kerl! Diese Werwölfe werden zweifellos zu einer cause célèbre für alle Feinde Hongkongs werden. Hätte gar nicht ungelegener kommen können. Wir leben wirklich in interessanten Zeiten.«
»Ja, Sir. Ist die Victoria in Schwierigkeiten?« fragte Dunross beiläufig, paßte aber genau auf und hörte das kaum merkliche Zaudern, bevor Sir Geoffrey leichthin antwortete: »Du lieber Himmel, nein! Wie kommen Sie denn darauf?«
»Danke, Sir!« Dunross legte auf und trocknete sich die Stirn. Das Zögern war verdammt bedenklich, sagte er sich. Wenn es einen Menschen gibt, der weiß, wie schlecht es um die Bank steht, dann ist es Sir Geoffrey.
Eine Regenbö peitschte gegen die Scheiben. Es gab so viel zu tun. Linbar müßte schon da sein. Dann Sir Luis. Er wußte schon, was er vom Börsenvorstand haben wollte, haben mußte. Bei der heutigen Morgensitzung des Inneren Kreises hatte er es nicht erwähnt. Die anderen hatten ihn geärgert. Sie alle – Jacques, Gavallan, Linbar – waren überzeugt, daß die Victoria Struan’s bis zum äußersten unterstützen werde. »Und wenn sie es nicht tut?« hatte er gefragt.
»Nach den Ereignissen der heutigen Nacht wird Gornt vielleicht nicht weiterverkaufen.«
»Er wird verkaufen. Was tun wir?«
»Wenn wir ihn nicht stoppen oder die Zahlungen an Toda und Orlin hinausschieben können, sind wir sehr übel dran.«
Wir können die Zahlungen nicht hinauszögern, dachte er. Ohne die Bank oder Mata oder Knauser Tung – nicht einmal der Par-Con-Deal wird Gornt stoppen. Er weiß, daß er weiterverkaufen kann, heute und Freitag, verkaufen, verkaufen, verkaufen, und ich kann ja nicht alles …
»Master Linbar, Tai-Pan.«
»Lassen Sie ihn bitte eintreten!« Er warf einen Blick auf die Uhr. Linbar trat ein. »Du kommst fast zwei Minuten zu spät.«
»So? Tut mir leid.«
»Für dich wird Pünktlichkeit wohl immer ein Fremdwort sein. Es ist einfach unmöglich, dreiundsechzig Gesellschaften zu leiten, wenn die Direktoren unpünktlich sind. Wenn es noch einmal vorkommt, streiche ich dir deine jährliche Prämie.«
Linbar errötete. »Tut mir leid.«
»Ich möchte, daß du als Nachfolger von Bill Foster nach Sydney gehst.«
Linbars Gesicht leuchtete auf. »Gewiß. Gern. Schon seit einiger Zeit habe ich mir gewünscht, meinen eigenen Wirkungskreis zu haben.«
»Gut. Ich möchte, daß du morgen mit dem Quantas-Flug …«
»Morgen? Unmöglich!« platzte Linbar heraus, und das Lächeln schwand aus seiner Miene. »Ich brauche ein paar Wochen, um …«
Dunross’ Stimme wurde leise, aber auch so schneidend, daß Linbar Struan erblaßte.
»Ich weiß das, Linbar. Aber ich möchte, daß du morgen fliegst. Bleib zwei Wochen unten, komm zurück und berichte mir! Verstanden?«
»Ja, ich verstehe, aber … Was ist mit dem Rennen? Ich möchte dabei sein, wenn Noble Star läuft.«
Dunross sah ihn nur an. »Ich möchte, daß du in Australien bist. Morgen! Foster ist es nicht gelungen, Woolara Properties in die Hand zu bekommen. Ohne Woolara haben wir keine Charterer für unsere Schiffe. Ohne die Charterer sind unsere Vereinbarungen mit den Banken null und nichtig. Du hast zwei Wochen, um dieses Fiasko zu korrigieren und mit einer Erfolgsmeldung zurückzukommen.«
»Und wenn ich mich weigere?« konterte Linbar zornig.
»Du kennst die Antwort. Wenn du es nicht schaffst, verlierst du deinen Sitz im Inneren Kreis. Und wenn du morgen nicht fliegst, hast du bei Struan’s nichts mehr zu suchen – solange ich Tai-Pan bin. Aber wenn du Woolara an Land ziehst, verdopple ich dein Gehalt.«
Linbar Struan starrte ihn an. »Sonst noch was, Sir?«
»Nein. Guten Morgen, Linbar!«
Linbar nickte und verließ den Raum. Als Dunross wieder allein war, gestattete er sich den Schatten eines Lächelns. »Frecher kleiner Lausejunge«, murmelte er, stand auf und ging wieder ans Fenster.
Sein Privattelefon läutete.
»Ja, Penn?« meldete er sich.
Eine unbekannte Stimme antwortete: »Mr. Dunross?«
»Ja, wer spricht?« fragte er überrascht. Er wußte nicht, wo er die Stimme oder den Akzent unterbringen sollte.
»Mein Name ist Kirk, Jamie Kirk, Mr. Dunross. Ich bin, äh, ein Freund von Mr. Grant, Mr. Alan Medford Grant …« Um ein Haar hätte Dunross den Hörer fallen lassen. »… Hallo? Mr. Dunross?«
»Ja, bitte sprechen Sie weiter!« Dunross hatte seinen Schock überwunden. AMG war einer der wenigen,
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