Hongkong 02 - Noble House Hongkong
seinen Anteilen an Gornts Leerverkäufen hatte er schon einen weit höheren Gewinn erzielt. »Machen Sie doch für heute Schluß, Seymour! Wenn Sie schon auf sind, können wir morgen zu dritt frühstücken – sagen wir um acht?«
»Gern! Arrangieren Sie einen Termin mit Dawson, Casey?«
»Mache ich. Irgendwann morgen vormittag. Der Tai-Pan … Mr. Dunross, hat sie wissen lassen, daß unser Deal absoluten Vorrang hat.«
»Das sollte es auch«, meinte Steigler. »Mit unserer Anzahlung helfen wir ihm aus der Klemme.«
»Wenn er überlebt«, sagte Casey.
»Heute rot, morgen tot. Genießen wir das Leben!«
Das war eine von Steiglers ständigen Redewendungen, und immer noch tönte die Phrase in Bartletts Kopf. Heute rot, morgen tot … Wie gestern das Feuer. Man weiß nie, wann man an der Reihe ist. Wenn ich an Vater denke! Ein Leben lang kerngesund, dann sagt der Arzt, er hat Krebs; drei Monate später sein qualvoller Tod.
Schweiß stand Bartlett auf der Stirn. Das war eine böse Zeit damals! Seine Mutter wie von Sinnen, und er hatte noch während seiner Scheidung den Vater begraben müssen. Und dann der Ausgang des Ehescheidungsverfahrens. Er hatte fürchterliche Opfer auf sich genommen, aber es war ihm gerade noch gelungen, die Kontrolle über die Gesellschaften zu behalten und die finanziellen Forderungen seiner Frau zu erfüllen. Er zahlte immer noch, obgleich sie ein zweites Mal geheiratet hatte. Dazu ein sich ständig erhöhender Unterhaltszuschuß für seine Kinder. Immer noch tat ihm jeder Cent weh – es war nicht das Geld, sondern die Unbilligkeit der kalifornischen Rechtsprechung, die Tatsache, daß ihr Anwalt ein volles Drittel kassierte, daß er von ihrem wie auch von seinem Anwalt aufs Kreuz gelegt worden war.
Heute rot, morgen tot, wiederholte er im Geiste, während er seine Krawatte band und sich im Spiegel betrachtete. Er hatte seinen Frieden mit sich selbst gemacht, er wußte, was er war und was er vorhatte. Der Krieg hatte ihm dabei geholfen. Und daß er die Scheidung überlebte, daß er alles über sie erfahren hatte und damit leben konnte. Daß er Casey gefunden hatte, war das einzig Schöne in jenem Jahr gewesen.
Casey.
Wie steht’s mit Casey?
Unsere Vereinbarungen sind völlig klar, sind es immer gewesen. Sie selbst hat sie festgelegt. Wenn ich eine Verabredung habe oder sie eine hat, dann haben wir Verabredungen, und wir stellen einander keine Fragen.
Warum bereitet es mir dann solches Unbehagen, daß ich mich entschlossen habe, Orlanda abzuholen, ohne Casey etwas davon zu sagen? Er sah auf die Uhr. Es war fast Zeit zu gehen.
Nach einem zögernden Klopfen öffnete sich die Tür, und Nachtzeit Song grinste ihn an. »Missie«, verkündete der Alte. Einen Stoß Papiere in der Hand, kam Casey den Gang herunter.
»Guten Abend, Casey«, begrüßte er sie. »Ich wollte dich gerade anrufen.«
»Abend, Linc«, sagte sie. »Ich habe da ein paar Sachen für dich.« Sie reichte ihm einen Stoß Telexe und Briefe und ging an die Bar, um sich einen trockenen Martini zu mixen. »Die ersten beiden betreffen die GXR-Fusion. Alles ordnungsgemäß unterfertigt. Am 2. September übernehmen wir. Um drei Uhr tritt in Los Angeles der Aufsichtsrat zusammen – bis dahin sind wir längst zurück. Ich …«
»Bett aufdecken, Mister?« unterbrach Nachtzeit Song wichtigtuerisch.
Bartlett wollte ablehnen, aber Casey schüttelte schon den Kopf. » Um ho « , sagte sie freundlich auf Kantonesisch, wobei sie die Worte völlig richtig aussprach. » Cha z’er, doh jeh! « Nein, danke, bitte machen Sie’s später!
Nachtzeit Song starrte sie verständnislos an. »Was?«
Casey wiederholte es. Der Alte grunzte. Es ärgerte ihn, daß Goldenes Schamhaar so schlechte Manieren hatte, ihn in seiner eigenen Sprache anzureden. »Bett aufdecken, heya ? Jetzt?« fragte er in holprigem Englisch.
Casey wiederholte ihre Anordnung auf Kantonesisch, wieder ohne Erfolg, und sagte schließlich auf Englisch: »Na schön. Nicht jetzt! Sie können es später machen.«
Nachtzeit Song grinste, weil er sie dazu gebracht hatte, an Gesicht zu verlieren. »Ja, Missie.« Er schloß die Tür.
»Arschloch«, murmelte sie. »Er muß mich verstanden haben. Ich weiß, daß ich es richtig gesagt habe. Warum sind sie so erpicht darauf, uns nicht zu verstehen? Ich habe es mit meinem Zimmermädchen versucht, und sie antwortete auch immer: › Was? Was Sie sagen, heya ‹ ? «
Bartlett lachte. »Sie sind eben bockig. Aber wo hast du
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