Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
verantwortlich sein würde, dass es aufhörte zu schlagen.
Schritte erklangen auf der Treppe.
"Kleiner Honigkäfer! Hat mein garstiger Bruder dich schon wieder eingesperrt?"
Lucien! Der Bruder, der seine Opfer von innen zum Verbrennen brachte. Der harmlose Kaminfeuer in ein Inferno verwandeln konnte. Und der seine Opfer irgendwo nahe des Anwesens verscharrte.
"Bleib weg von mir!", keuchte sie und wich in die Dunkelheit, weg von dem Fenster.
"Was hast du denn? Ich bin es....Lucien!" Er blieb nah vor dem Gitter stehen. "Ich habe Balthasar den Schlüssel abgenommen. Nun werde ich dich mal rauslassen, das ist ja wirklich kein Zustand mit euch beiden." Er öffnete die Tür und ließ sie einladend aufschwingen
"Ja! Und es ist ein Wunder, dass ich noch nicht mit verschmorten Haaren und stehengebliebenem Herzen leblos unter ihm liege!"
Sie sah, wie Lucien regungslos in seiner Position innehielt.
"Was hast du da?", fragte er plötzlich, die Stimme seltsam ruhig und gefasst.
"Bleib bloß weg von mir!", zischte sie. "Was immer du auch sein magst! Verschwinde! Lieber verrotte ich in dieser Zelle, als durch eine eurer Misshandlungen zu sterben. Was seid ihr? Dämonen aus der Hölle?"
"Was hast du da?", wiederholte Lucien scharf. Er stand so nah vor ihr, dass seine Stiefelspitzen ihre nackten Zehen berührten.
"Gar nichts!"
Lucien lächelte fast liebenswürdig, dann griff er um sie herum und zog an dem Brief. Jeanne glitt das Papier kraftlos aus der Hand, zu sehr verängstigt von seiner Präsenz und der eben gewonnenen Erkenntnis über sein wahres Wesen.
Er überflog die Zeilen im Halbdunkel, dann seufzte er lange und ließ sich schließlich langsam in das Stroh sinken, die Beine im Schneidersitz gefaltet, die Hand auffordernd nach ihr ausgestreckt.
"Setz dich zu mir, Jeanne."
"Nein!"
"Ich werde dir nichts tun."
"Verschwinden, Lucien! Und lass mich hier bitte nie wieder raus."
"Schluss damit..." Er griff nach ihrem Kleid und zog daran, bis sie in die Knie ging und hart gegen seine Schulter prallte. "Und nun hör mir zu."
"Ich will aber nicht! Lass mich einfach hier zurück. Vergiss mich. Ich werde diese Zelle nie wieder verlassen!"
"Ach, Honigkäfer..." Wieder seufzte er. "Niemand hier wird dich umbringen. Fakt ist, wir würden uns vermutlich gegenseitig versuchen umzubringen, wenn du dich nicht sofort für einen von uns entschieden hättest."
"Balthasar? Vergiss es, ich will ihn nicht mehr."
"Hör mir doch erst mal weiter zu. Du hast uns alle bezaubert. Keiner von uns dreien hat dich so sorglos behandelt, dass etwas hätte schieflaufen können. Wir haben uns alle so sehr in Acht genommen, dich niemals ernstlich zu verletzten, einfach weil du uns alle in deinen Bann gezogen hast! Keine Ahnung, wie du das machst. Victor und ich haben auf der Reise überlegt, ob du vielleicht eine Hexe bist, die uns alle verhext hat." Er beugte seinen Kopf zu ihr. "Bist du eine Hexe?"
"Nein! Was ist das für ein Unsinn!"
"Hm, schade, das wäre eine einfache Erklärung gewesen. Nun, jedenfalls seit sich herausgestellt hat, dass du Balthasar, sagen wir mal, "sehr magst" und er dich, sagen wir mal, "auch sehr mag", wage ich nicht, weiter auf deine Gunst zu hoffe. Aber das nur nebenbei. Als jedenfalls herauskam, dass du und Balthasar euch, sagen wir mal "sehr mögt"..."
"Lucien, hör sofort auf, so unmöglich zu reden!", fauchte sie ihn an. "Das hält man ja im Kopf nicht aus."
"Jedenfalls seitdem waren Victor und ich erst Recht vorsichtig mit dir, weil Balthasar uns persönlich an der Höllenpforte abgeben würde, sollte dir etwas zustoßen bei uns."
Jeanne seufzte und ihr Kopf schwirrte vor so vielen Informationen.
"Verstehst du?"
"Nein!", bellte sie. "Natürlich verstehe ich nicht! Was seid ihr? Alles, was du mir erzählst, sind deine Überlegungen, warum ich euch offenbar auf irgendeine Art und Weise begeistere."
"Das war ja auch der wichtigste Grund, warum dir bei uns nichts passieren würde, sprich, du keine Angst vor mir und vor den anderen haben musst."
"Das glaube ich dir sowieso nicht! Also, was seid ihr? Dämonen? Geister? Höllenwesen?"
Lucien zupfte einen Halm aus dem Stroh und begann ihn zwischen seinen Fingern zu drehen.
"Ich bin an allem Schuld. Victor und Balthasar tragen nur einen Teil der Bürde für mich mit." Er atmete tief ein, als wolle er überlegen, wo er beginnen sollte.
"Ich war ein rastloser Mann, getrieben von dem Geist der Forschung und dem Okkulten. Irgendwann verfiel ich der Alchemie
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