Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
mir, meine Hübsche. Mein großer, finsterer Bruder hat Verpflichtungen, aber solange kümmere ich mich ein bisschen um dich."
Balthasar wurde noch ein Stückchen größer, dann ließ er Jeannes Hände los und ging mit schnellen Schritten auf seinen Bruder zu. Seine Rechte schloss sich um dessen Schulter, drehte ihn aus Jeannes Blickrichtung und stieß ihn grob zur Tür hinaus.
"Wir haben noch ein paar geschäftliche Dinge zu klären, bevor ich aufbreche", hörte sie ihn grollen. Jeanne blieb zurück, die Finger in die Tischplatte hinter ihrem Rücken gekrallt. Wieder ergriffen Angst und Panik von ihr Besitz. Wo war sie hier hineingeraten? Warum tat Lucien so, als könne er über sie verfügen wie ein Möbelstück? Und wieso hatte Balthasar sein unziemliches Gebaren nicht unterbunden? So wie es schien, wohnte dieser Lucien offenbar auch hier in diesem Haus. Ein Umstand, der die zahlreichen Vorräte und die Größe des Anwesens erklären könnte.
Eine flüchtige Vorstellung streifte ihr Bewusstsein, so zart und doch so präsent, als wäre sie real. Sie sah Balthasar, wie er ihren nackten Körper küsste und sie sich selbst, wie sich wand unter seinen Berührungen. Und dann erschrak sie, als sie einen zweiten nackten Körper sah. Ein Gesicht, das dem von Balthasar auf so fatale Weise ähnelte. Braune, goldschimmernde, lange Haare, die über die weiche Haut ihrer Oberschenkel flossen und Lippen, die sie dort berührten. Sie keuchte, als eine warme, erregende Woge durch ihren Körper lief. Mein Gott, was war nur mit ihr geschehen? Sie dachte an diese beiden gutaussehenden Brüder und den Traum, in dem ihre beiden nackten Körper sich mit ihr vergnügten und ihr unendliche Lust bescherten.
Entschlossen drückte sie sich von der Tischplatte weg, verbot sich, weiter daran zu denken und lief stattdessen unruhig vor dem großen Kamin auf und ab. Sie schüttelte ratlos den Kopf, als sie sich erinnerte, wie skurril die Situation eben in der Eingangshalle gewesen war. Balthasars eifersüchtiger Blick, Luciens unbekümmerte Selbstverständlichkeit und die fast greifbare Spannung, die sich zwischen ihnen Dreien aufgebaut hatte. Und wieder ein Mal fragte sie sich, in was genau sie hier eigentlich hinein geraten war.
"Er hat es dir nicht erzählt?"
Jeanne sah zu Lucien, der sich soeben neben ihr auf seinem ausladenden Bett aus dunklem Holz niedergelassen hatte. Kurz zuvor hatte er sie aus der Küche geholt, sie einfach an die Hand genommen wie ein ungezogenes Kind mit sanftem, schmeichelndem, aber durchaus zähem Durchsetzungsvermögen bis in seine Räume geschleppt. Von Balthasar hatte jede Spur gefehlt, offenbar hatte er sie Luciens Willkür überlassen.
Jeanne war immer noch fassungslos deswegen.
"Monsieur, ich..."
"Lucien. Ich bin Lucien, nicht Monsieur. Monsieur klingt als wäre ich ein hässlicher Greis mit dem Gesicht voller Warzen."
Jeanne dachte an seinen Bruder Balthasar, der ihr nicht angeboten hatte, sie anders, als mit dieser Höflichkeitsform anzusprechen. Lucien lächelte sie an, als wolle er sie ermutigen, es erneut zu versuchen.
"Lucien, was hat Euer Bruder mir nicht erzählt?"
"Was hat DEIN Bruder mir nicht erzählt, mein goldiger Käfer, wir sind hier nicht bei Hofe."
"Gut, wie Ihr...wie du wünschst", murmelte Jeanne.
"Nun, ich bin verwundert, dass mein Bruder dir nicht erzählt hast, dass du..." Lucien sah sie treuherzig an. "...hier das Mädchen, beziehungsweise in deinem Falle "der Honigkäfer" für alle Brüder sein wirst. Du verstehst?"
Jeanne schüttelte in stummem Entsetzen den Kopf. Zu mehr war sie in diesem Moment nicht fähig.
"Schau, Honigkäfer..." Er nahm ihre Hand und strich sanft über ihre Haut. "Du hättest es viel schlechter treffen können. Balthasar erzählte, dass du ganz allein im Wald unterwegs warst. Was hat dich überhaupt dorthin verschlagen?"
"Ich wollte zu meiner Großmutter nach Cassis", murmelte Jeanne. "Und alles ging schief. Mein Geld wurde gestohlen, meine Reisetaschen auch und zum Schluss habe ich mich verlaufen."
"Das klingt schrecklich, meine Hübsche." Luciens Stimme klang so teilnahmslos, als rede er über das Wetter. "Und was glaubst du, wäre dir als nächstes passiert?"
Jeanne sah fragend in Luciens Gesicht. Er fuhr mit der Hand seine Kehle entlang, als immitiere er den Schnitt einer Klinge und verdrehte dann dramatisch die Augen. Jeanne wich zurück und er lachte.
"Und da hast du es doch hier viel besser. Hier ist es warm, du hast ein Bett, etwas
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