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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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musterte er Deborah aus schmalen Augen. Deborah reckte den Kopf und erwiderte trotzig seinen Blick. Marlene schwieg.
    „Entschuldige mein Benehmen eben“, brach Jakob als Erster das Schweigen. Er duzte Deborah ungeniert. „Ich bin unhöflich. Setz dich, bitte. Möchtest du etwas zu trinken? Ich habe Wasser, Wein und sogar deutschen Kaffee.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stand er auf und ging zusammen mit dem zweiten Mann hinaus. Deborah sah Jakob nach.
    „Er gefällt dir“, stellte Marlene ruhig fest. „Besser du lässt die Finger von ihm. Er ist gefährlich.“
    „Na und? Das ist Albrecht auch.“
    „Ich meine nicht diese Art von gefährlich. Dieser Mann verbrennt dein Herz und lässt nichts als Asche zurück.“
    Davon wollte Deborah nichts hören. Außerdem kam die Warnung zu spät. Wie jeder, der Jakob zum ersten Mal begegnete, war auch sie sofort seinem Magnetismus erlegen. Jakob hatte etwas Kraftvolles an sich – er wirkte auf Deborah, als könnte er die Welt erobern.
    Es war Jakobs Stärke, dass sich diese Zuversicht beinahe auf jeden, den er traf, übertrug; er war der geborene Anführer. Deborah war von der ersten Sekunde an von ihm fasziniert. Er erschien ihr wie die tapferen Helden der Oper, er war Tristan und Siegfried, Alfredo und Romeo. Das, was sie für Albrecht anfänglich in Zürich und Wien empfunden hatte oder glaubte empfunden zu haben, war ein Nichts gegen das, was sie jetzt für Jakob fühlte. Die Liebe hatte Deborah wie ein Blitz getroffen.
    „Deine Neugier bringt dich irgendwann um“, wechselte Marlene das Thema und gestand damit ihre Niederlage ein. Marlene konzentrierte sich dann scheinbar auf die zerschrammte Tischplatte. Deborah hatte die Kerze zu sich herangezogen und spielte an dem weichen Wachs herum. Keine von ihnen sprach mehr ein Wort, bis Jakob zurückkehrte.
    In seiner Begleitung trippelte ein winziges Mütterchen in einem langen schwarzen Kleid herein. Die Alte trug ein Tablett mit einem irdenen Krug Wein und drei Gläser. Sie stellte es auf dem Tisch ab, strahlte Deborah zahnlos an und verschwand dann wie ein Schatten.
    Jakob setzte sich und tat so, als würde er die im Raum herrschende Feindseligkeit nicht bemerken.
    „Warum bist du Marlene gefolgt?“, fragte er beinahe beiläufig.
    So konkret gefragt, fiel Deborah keine passende Replik ein. Sie konnte schlecht zugeben, dass sie sich über Marlene geärgert und ihr lediglich eins hatte auswischen wollen. Sie schämte sich jetzt für ihr Verhalten und war sich darüber im Klaren, dass sie damit alle in Gefahr gebracht hatte.
    Aber Jakob schien die Antwort entweder auf ihrem Gesicht abzulesen, oder er hatte nur ihre Reaktion auf seine Frage testen wollen. Jedenfalls winkte er ab. „Wie ich höre, habt ihr Probleme bei der Ausführung eures Plans?“ Er fixierte Deborah, die daraufhin prompt errötete. Jakob wusste natürlich, dass dieser Plan ihren vollen körperlichen Einsatz erforderte.
    „Vielleicht solltet ihr euren Plan ändern?“ Er lächelte sie an wie ein Wolf.
    „Wenn du eine Idee hast, bin ich gespannt, sie zu hören“, mischte sich Marlene gereizt ein. Sie ärgerte sich über Jakob, der sie seit Deborahs Erscheinen vollkommen ignorierte.
    „Warum feiert ihr mit Deborahs Freund nicht nochmals eine kleine Privatorgie zu dritt? Lockt ihn in die Honigfalle und gebt ihm eine Droge in sein Getränk, die ihn mehrere Stunden schlafen lässt. Und während er schläft, schmuggeln wir unseren Mann herein, der den Safe öffnen wird. Wir fotografieren den gesamten Inhalt und wenn der SS-Mann am Morgen aufwacht, ist alles wie vorher. Außer, dass er sich inmitten einer Batterie leerer Flaschen und mit zwei Frauen und fürchterlichen Kopfschmerzen im Bett wiederfindet. Das wird ihm hoffentlich als Entschuldigung für seine Gedächtnislücke reichen.“
    „Klingt ziemlich einfach, wie du das sagst. Du musst dich ja nicht selbst bemühen“, erwiderte Marlene verdrossen. Gleichzeitig dachte sie, dass es zu schön wäre, um wahr zu sein. Sie hatte es gründlich satt, Tag für Tag stundenlang in der Putzkammer zu hocken und Desinfektionsmittel einzuatmen. „Hättest du denn eine Droge parat?“, erkundigte sie sich jetzt hoffnungsvoll. Alles war für die Deutschen reserviert, die Apotheken wurden streng überwacht.
    „Darum habe ich dich heute benachrichtigt. Ich habe tatsächlich endlich etwas beschaffen können. Es ist ein Barbiturat, ein Schlafmittel. Panckiewicz aus der Ghetto-Apotheke hat es mir heute

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