Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Proteste geleistet hatten. Seiner Meinung nach musste eine anständig geführte Volkspartei mehr Leute für bodenständigen Protest stellen können. Andererseits hatten sämtliche Proteste auf New Covenant stattgefunden, dem nördlichen Kontinent Graysons, wo sie den Vorzug der Nähe zu Austin City und dem Palast des Protectors genossen, und Baird hatte erklärt, seine Organisation sei im Süden und im Westen am stärksten.
»Einen angenehmen Abend wünsche ich Ihnen noch«, sagte Mueller, und die beiden Organisatoren folgten Buckeridge nach draußen. Der Verwalter, das wusste Mueller, würde dafür sorgen, dass die beiden das Gut unauffällig verließen. Nachdenklich blieb Mueller einen Augenblick lang stehen und ging die Punkte ihres Gespräches noch einmal durch. Wie merkwürdig, dachte er. Bis vor wenigen Monaten hatte er über Bairds und Kennedys Organisation nicht einmal ein Gerücht gehört. Nun hatte er sie so eng in sein Netz geknüpft und ließ sie nach seiner Pfeife tanzen wie jeden, der in die Reihen der Opposition gehörte. Und sie zahlten ihm enorme Summen dafür, dass er die Musik spielte.
Er schmunzelte darüber, dann wandte er sich dem Waffenträger zu, der während der Besprechung schweigsam neben der Tür im Zimmer gestanden hatten.
»Ich danke Ihnen, Steve. Das wäre alles für heute. Morgen früh brauche ich Sie ausgeruht, also nehmen Sie eine gute Mütze voll Schlaf.«
»Danke, Mylord. Das werde ich.« Sergeant Hughes verbeugte sich vor dem Gutsherrn und verließ das Zimmer. Seine Absätze klackten auf dem Steinfußboden des Korridors, dem er zum Ostausgang folgte. Ein Weg führte zur Kaserne der Waffenträger. Hughes hielt sich militärisch aufrecht, seine Augen blickten ernst. Niemand hätte ihm angemerkt, welche Gedanken ihm durch den Kopf schossen. Doch selbst wenn jemand auf dem Gut Mueller gewusst hätte, worüber Hughes nachdachte, hätte man es nicht für möglich gehalten. Nicht bei Sergeant Hughes, der für seinen religiösen Konservativismus und die Intoleranz bekannt war, mit der er Protector Benjamins ›Reformen‹ gegenüberstand.
Hin und wieder überkam Hughes wegen seines Einsatzes ein unbehagliches Gefühl. Er hatte sich freiwillig dazu gemeldet, und er glaubte an seinen Auftrag. Irgendjemand musste ihn tun, und er war stolz, der Bitte des Protectors gefolgt zu sein. Die Eide jedoch, die ein persönlicher Waffenträger leistete, waren streng und unbeugsam, und ganz gleich, was seine Pflicht war, ganz gleich, ob er eine Rolle spielen musste – Hughes hatte diese Eide vor Samuel Mueller abgelegt, vor seinen Waffenträger-Kameraden auf dem Gut Mueller und vor Bruder Tobin, dem Priester des Guts Mueller. Allzu oft lastete nachts, so wie heute, der Gedanke schwer auf seiner Seele, diese Eide brechen zu müssen.
Dabei sollte er eigentlich keine Gewissensbisse haben. Mueller selbst verletzte seine eigenen Eide gegenüber dem Protector aufs Gröbste, und sowohl das Gesetz des Schwertes als auch das der Vaterkirche sagten eindeutig, welche Folgen das hatte. Niemand war einem Eidesbrecher zur Eidestreue verpflichtet. Nach dem Gesetz Gottes und dem Gesetz der Menschen schuldete Steve Hughes Samuel Mueller keinerlei echte Gefolgschaft. Außerdem war Hughes zu Bruder Clements gebracht worden, dem Priester des Gutes Mayhew, und zu Diakon Anders’ Büro in der Mayhew-Kathedrale, bevor er sich zu seinem Auftrag meldete. Dort hatte ihm Anders mit Einverständnis von Reverend Sullivan und unter dem Siegel der Sakristei einen besonderen Dispens zugebilligt, weil er im Auftrage des Schwertes an der Aufklärung möglichen Hochverrats durch einen Gutsherrn ermittle. Dieser Dispens befreite ihn von allen Verpflichtungen durch seinen Eid vor Mueller.
Trotz alledem war Hughes ein Mensch, der seine Eide wörtlich nahm. Wäre es anders gewesen, hätte man ihn nie für seinen Auftrag ausgewählt. Gerade diese notwendigen Eigenschaften jedoch flößten ihm … Unbehagen ein, wenn er einen der großen Feudalherren seiner Heimatwelt in solch ernster und geheiligter Weise belügen sollte.
Aber so groß war das Unbehagen nicht, dass er seine Freiwilligmeldung noch einmal überdachte. Es hatte Jahre gebraucht, um so nahe an Mueller heranzukommen und sein Vertrauen zu gewinnen. Diese Mühe und Entschlossenheit begannen sich nun endlich auszuzahlen. Seine Berichterstattung an den Vorgesetzten beim Planetenschutz musste sehr umsichtig geplant werden. Doch Hughes wusste, dass Colonel Thomason und General
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