Honor Harrington 14. Honors Krieg
genietet.«
»Mein Gott.« Honor musterte das Bild noch einmal und stellte eine rasche Überschlagrechnung an. Unter der Voraussetzung, dass der Abstand zwischen den Halbgondeln, den sie erkennen konnte, auf der gesamten Länge des Schiffes beibehalten wurde, vom einen Hammerkopf zum anderen, musste der Kreuzer wenigstens fünfunddreißig bis vierzig davon tragen. »Was ist mit der Unterseite des Schiffes?«, fragte sie.
»Das wissen wir nicht, Hoheit. Die Royalist hatte unfassliches Glück, überhaupt so viel zu beobachten. Wenn ich raten sollte, würde ich allerdings sagen, dass sie wahrscheinlich Ober- und Unterseite belegt haben. Ich an ihrer Stelle hätte das jedenfalls getan, und wir können wohl davon ausgehen, dass die Andys genauso clever sind wie ich.« Sie lächelte ohne jede Heiterkeit. »Vorausgesetzt, die Halbgondeln sitzen auf Ober- und Unterseite, würden nach Georges und meiner Abschätzung zwischen sechzig und achtzig davon auf jeder Breitseite sitzen. Damit hätte so ein Kreuzer eine Maximalsalve zwischen drei- und vierhundert Vögelchen.«
Bestürzt spitzte Honor die Lippen zu einem lautlosen Pfeifen. Keines ihrer gondellosen Schiffe vermochte auch nur annähernd eine solch schwere Breitseite abzufeuern. Da sich die Gondeln unmittelbar auf dem Rumpf des Schiffes befanden, lagen sie innerhalb seines Impellerkeils und seiner Seitenschilde. Dadurch waren sie geschützt vor der Vernichtung durch Naheinschläge, die herkömmlichen mit Traktorstrahlen nachgeschleppten Gondeln so gefährlich werden konnten. Das fragliche Schiff brauchte also nicht auf die Regel ›Benutz sie oder verlier sie‹ zu achten, welche scharfe Beschränkungen mit sich brachte. Normalerweise betraf diese Regel nämlich sämtliche Gondeln, die von leichten und mittelschweren Kampfschiffen achtern nachgeschleppt wurden.
»Wenn die Feuerleitsysteme nicht erheblich verbessert worden sind«, dachte sie laut, »könnte kein Schiff dieser Größe eine derart schwere Salve verschießen.«
»Nein, Hoheit«, stimmte Brigham zu. »Es würde an Telemetrieverbindungen fehlen, selbst wenn man das Problem der Keilinterferenz so vieler Raketen überwinden könnte. Und das müsste man, um sie zu steuern. Aber richtig eingesetzt, könnten die Kreuzer wahrscheinlich Breitseiten von fünfzig bis sechzig Raketen feuern – vorausgesetzt, sie haben eine Möglichkeit, an den Gondeln vorbeizusehen.«
»Da haben Sie Recht.« Honor rieb sich nachdenklich die Nasenspitze. Die lange Reihe der Gondeln war in gehörigem Abstand zu den Standardwaffendecks der Kreuzer montiert. Wie Mercedes gesagt hatte, befanden sie sich an der Krümmung des Rumpfes, wo die Zentralspindel eines Kriegsschiffes in die relativ flachen Ober- und Unterseiten überging. Diese Zonen, vom undurchdringlichen Impellerkeil geschützt, waren so gut wie ungepanzert. Auf dieser Krümmung saßen bei den meisten Kriegsschiffen zusätzliche Ortungsantennen für die Raketenabwehr und die Feuerleitung. Die Hauptantennen in der Breitseite hatten weiterhin ungetrübte Sicht, nicht aber die Hilfsantennen an der Rumpfkrümmung, mit denen einzelne Raketen ferngelenkt wurden und von denen die Feuerleitung einzelner Lasercluster abhing. Die zusätzlichen Gondeln der andermanischen Schiffe mussten daher mit fast völliger Gewissheit die Zielerfassung stören – ganz zu schweigen vom einkommenden Beschuss.
»Ich möchte wetten, man kann die Dinger absprengen«, sagte sie zu Brigham. »Wahrscheinlich befinden sie sich in einer Art externer Aufhängung.«
»Das meinen George und ich auch«, sagte Brigham nickend. »Zu diesem Schluss ist Ellis übrigens auch gelangt.«
»Ach ja, Ellis.« Honor sammelte sich, schaltete das Holodisplay ab, lehnte sich zurück und sah die Stabschefin stirnrunzelnd an. »Sie sagen, er hat diese Aufnahme mit Hilfe seiner Langstreckendrohnen erhalten?«
»Jawohl, Hoheit. Und er glaubt nicht, dass die Andys sie entdeckt haben, was ein wenig beruhigend ist. Immerhin haben sie noch nicht alle Geisterreitergeheimnisse aufgedeckt!«
»Lassen wir uns nicht verleiten, den Andermanern übermenschliche Fähigkeiten zuzuschreiben, Mercedes«, sagte sie mit leichtem, schiefem Lächeln. »Ich bin zwar sicher, dass sie trotzdem noch mit einigen Überraschungen aufwarten werden, aber gleichzeitig glaube ich auch, dass wir ebenfalls welche für sie haben. Alles, was ich bisher von ihnen gesehen habe, waren Versuche, zu uns aufzuholen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren,
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