Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
griff eifrig nach einem leichten Dreilaufgewehr – von einem Plasmagewehr abgesehen die schwerste von einem Mann tragbare Waffe, die es gab – mit einem Tausend-Schuss-Magazin. Das Magazin verriet, dass es Schrapnell-, panzerbrechende und Explosivmunition enthielt, und die Augen des Marines leuchteten erwartungsvoll auf. Aber …
»Um Himmels willen, Ned!«, wandte Rolla ein. »Mit dem Ding zerfetzt du jeden auf der Brücke. Weißt du, wie man einen Superdreadnought von sieben Millionen Tonnen steuert? Ich nämlich nicht!«
»Oh.« Pierces Gesicht sah gleichzeitig peinlich berührt und enttäuscht aus. »Ja, du hast Recht. Verdammt. Ich liebe diese Dinger.«
»Nimm einfach ein verdammtes Schrapnellgewehr, wenn du unbedingt Leute zerschnetzeln musst«, knurrte der SyS-Sergeant und nahm einen Handpulser an sich. »Damit kannst du wenigstens keine wichtigen Apparate kaputtmachen. Oder hast du vergessen, wie man auf ein Ziel zielt, das kleiner ist als ein Mond?«
»Alter Klugscheißer«, versetzte Pierce. Mit einer raschen, beiläufigen Bewegung nahm der Marinessergeant ein Schrapnellgewehr an sich, überprüfte die Waffe und entsicherte sie.
Rolla und er musterten sich einen Moment lang. Es war ein unbehaglicher Moment.
Yuri räusperte sich. »Äh, Sergeant Pierce, ich glaube, Sie sind rangälter als Sergeant Rolla. Von den Dienstjahren her sowieso – und wie Major Bürger sagte, sehe ich im Augenblick keine Möglichkeit, die Dinge anders zu regeln. Trotzdem …«
Zu seiner Erleichterung hob Ned nur die Schultern hoch. »Schon gut, Sir … he, ich bin nicht auf den Kopf gefallen.« Er nickte Rolla zu. »Jaime kann das Kommando haben. Mir ist's wirklich egal.«
»Gut. Ich hoffe nämlich, dass wir es mehr mit einer Polizeiaktion zu tun haben als mit einem militärischen Einsatz. Ich will nichts beschönigen, aber Sergeant Rolla hat Erfahrung darin, Leute festzunehmen. Sie dagegen … äh …«
Pierces Piratengrinsen wuchs zu voller Breite. »Ich zerschnetzle Leute. Nur keine Sorge, Sir. Mama Pierces kleiner Junge wird ganz brav seine Befehle befolgen.«
Yuris Befürchtung, auf dem Weg zur Brücke auf Widerstand zu treffen, erwies sich als unbegründet. Ihnen begegneten nur hin und wieder kleine Gruppen von SyS-Leuten im Mannschaftsrang, die sich flüsternd zusammengeschart hatten. Die Neuigkeit begann sich nur bruchstückhaft durch das Schiff zu verbreiten. Und es waren eindeutig nur Bruchstücke – unklar und verzerrt, sodass sie keinen rechten Sinn ergaben. Die gewaltige Größe des Superdreadnoughts trug noch zusätzlich zur Verwirrung bei. An Bord eines kleineren Schiffes hätte ein wildes Gerücht vielleicht so lange den Zusammenhalt bewahren können, dass die Leute der Wahrheit darin auf die Spur kamen. An Bord eines Behemoths von Superdreadnought hallten die Gerüchte durch endlose Gänge und wurden umso entstellter und unzusammenhängender, je weiter sie sich bewegten.
Er war zuerst verwirrt. Er hätte erwartet, dass Gallanti wenigstens an den wichtigsten Zugangswegen zur Brücke bewaffnete Posten aufgestellt hätte. Doch … nichts, bis sie schließlich vor der Luke der Brücke standen.
Mittlerweile hatte Yuri den Grund verstanden, und mit diesem Wissen bewaffnet marschierte er geradezu auf die beiden SyS-Leute zu, die zu beiden Seiten der Luke Wache standen. Die beiden gehörten keiner Sondereinheiten und waren nicht von Gallanti zu dieser Gelegenheit angefordert worden. Sie gehörten zu dem Trupp, der regelmäßig an der Brücke eingesetzt wurde, und beiden hatten das Pech gehabt, in dem Moment Dienst zu haben, als das Signal eintraf. Sie wirkten so nervös wie Mäuse, die wissen, dass irgendwo in der Nähe Katzen Amok laufen.
Gallanti war eben nur eine dumme, selbstbezogene, unbeherrschte Tyrannin, eine kompliziertere Erklärung brauchte man nicht. Eine Frau, die aufgrund ihres Ranges und ihrer einschüchternden Persönlichkeit so lange stets ihren Willen hatte durchsetzen können, dass sie nun nicht einen Augenblick lang darüber nachdachte, eventuell einer taktischen Lage gegenüberzustehen.
Yuri war beinah erstaunt, dass er sie nicht durch die geschlossene Luke schreien hörte.
Der Boss geht in die Luft, und wenn der Boss in die Luft geht, hat jeder innezuhalten und sich ihren Mist anzuhören. Ein Naturgesetz, so wie die Schwerkraft.
Idiotin.
»Zur Seite«, befahl er, als er vor den Posten stand. Er sprach in einem milden, aber sehr selbstsicheren Ton.
Die Posten
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