Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
gewesen.
Aus der Breitseite von Bandit Eins, die keinen Schaden erlitten hatte, rauschte der Gauntlet ein Raketentornado hinterher, und Bandit Zwo – für den es nun keine Frage mehr war, bei welchem Echo es sich um den Täuschkörper und bei welchem um den echten Kreuzer handelte – nahm ebenfalls die Verfolgung auf. Die Schadensanzeiger flackerten, als eine Hand voll Treffer aus den feindlichen Laser-Gefechtsköpfen die Seitenschilde der Gauntlet durchbohrte, doch ihre großartige aktive Nahbereichsabwehr und die gerade ausreichende passive Abwehr genügten, um die Flutwelle der Vernichtung abzuwehren, während sie sich beständig von dem lahmenden Schlachtkreuzer entfernte.
Bandit Zwo setzte die Verfolgung noch zehn Minuten länger fort, konnte sich ohne den Warlord aber nicht gegen die Gauntlet behaupten, und das war seinem Skipper – oder wenigstens der KI der Simulation – klar. Der feindliche Kreuzer hatte nicht die Absicht, sich isoliert von einem Schiff in ein Energiegefecht verwickeln zu lassen, das gerade einen Schlachtkreuzer kampfunfähig geschossen hatte, und brach die Jagd ab, bevor die Gauntlet sie aus dem Raketenschirm des Warlords locken konnte.
»Nun, das war gewiss ein int'ressantes … Abenteuer«, bemerkte Captain Oversteegen. »An alle: Simulation beendet. Divisionsoffiziere, wir seh'n uns um neun Uhr in meinem Besprechungsraum zur Manöverkritik.« Er hielt kurz inne und überraschte Abigail mit einem Laut, der bei jedem anderen verdächtig nach einem Glucksen geklungen hätte. »Commander Blumenthal, Sie sin' im Lichte Ihrer zahlreichen, ernsten Verwundungen von der Nachbesprechung entschuldigt. Ich glaube, heut kann Sie mal der Diensttuende Taktische Offizier Ms Korrami vertreten.«
Abigail sah Lieutenant Stevensons Hand nicht kommen. Tatsächlich hätte sie nicht einmal genau analysieren können, was genau sie eigentlich sah. Der Marine konnte um eine Winzigkeit sein Gewicht verlagert haben, vielleicht war es die Art, wie er ganz leicht die Schulter senkte, womöglich aber nur ein Flackern in seinen Augen. Was auch immer, ihr rechter Arm bewegte sich ohne ihre bewusste Entscheidung, fing mit der Elle seine linke Hand ab, die auf ihren Kopf zielte, und schleuderte seinen Arm weit nach außen, während ihre linke Hand im Stoß nach seinem Kinn aufwärts vorschoss. Ihr Oberkörper schwenkte herum, während sie sich nach links verdrehte.
Der Kopf des Lieutenants flog zurück, als ihre Handfläche sein Kinn traf, doch er umschlang ihren Arm mit seinem rechten Arm, während seine Hand sich an der Innenseite ihres linken Ellbogens hochschlängelte. Er schloss die Finger um ihren Oberarm, richtete seinen Arm gerade, sodass er sie festhielt, und verlagerte sein Gewicht nach außen, während er gleichzeitig die rechte Ferse hinter ihre linke Wade hakte.
Abigail verlor den Boden unter den Füßen, und der Lieutenant riss sie mit seinem beträchtlich größeren Gewicht zur Seite. Seinen Griff um ihren Arm konnte sie brechen, aber nicht mehr rechtzeitig: Sie stürzte hart zu Boden. Mit der linken Schulter traf sie die Matte und rollte sich rasch zur Seite – in letzter Sekunde wich sie Stevenson aus, der sich mit ausgebreiteten Armen fallen ließ, um sie zu Boden zu pressen. Er hatte ihre Geschwindigkeit falsch geschätzt und landete hart auf dem Bauch, als sie, den Hosenboden als Drehpunkt, zur Seite wirbelte; mit einem Sichelschlag ihrer Beine riss sie ihm die Arme unter dem Leib weg.
Sie rollte sich auf die Seite, warf den Oberkörper nach hinten und schlug ihm den Ellbogen hart gegen den Hinterkopf. Der Kopfschutz, den sie beide trugen, ersparte ihm die volle Wucht des Treffers, doch er genügte, um ihn kurz aus dem Gleichgewicht zu bringen, und Abigail nutzte die Gelegenheit, um ihre Rolle zu beenden. Mit schlangenhafter Geschmeidigkeit verwand sie sich und landete auf seinem Rücken. Ihre Hände zuckten durch die Luft, schossen hoch und griffen ihm von hinten unter die Achselhöhlen, und er grunzte, als sie sich in seinem Nacken begegneten. Abigail übte Druck aus – nicht zu viel, denn ihr Griff war gefährlich –, aber genug, dass er den Voll-Nelson erkannte.
Er kapitulierte, indem er die rechte Hand flach auf die Matte klatschte, und sie gab ihn frei, rollte sich von ihm herunter und setzte sich auf. Er tat es ihr nach, schüttelte den Kopf, nahm den Mundschutz heraus und grinste sie an.
»Besser«, sagte er anerkennend. »Entschieden besser diesmal. Wenn ich es
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