Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
Person vor ihr war eine Frau – eine sehr junge, aber älter als sie selbst.
Dann fiel Judith ein, dass die Manticoraner eine Medizin besaßen, die ihnen gestattete, körperlich jung zu bleiben; nach Meinung der Wahren Gläubigen verletzten sie damit Gottes Willen, denn sagte Gott nicht: ›Geboren werden und sterben hat seine Zeit‹? Jetzt war jedoch nicht die Zeit, sich über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen. Wenn sie nun versagte, dann war es für den Schwesternbund sehr bald Zeit zu sterben.
»Ich bin Judith«, sagte sie; den Zusatz ›Weib des Ephraim‹, der alles war, was Masadaner ihren Frauen als Nachnamen zugestanden, ließ sie bewusst weg. »Ich befehlige nun den Aronsstab für den Bund der Schwestern Barbaras. Wir sind der Sklaverei auf Masada entflohen.«
»Ich bin Lieutenant Carlotta Dunsinane«, antwortete die Frau höflich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir bitten um Ihre Hilfe«, sagte Judith, und ihr Herz klopfte dabei viel zu schnell. »Gewähren Sie uns Zuflucht vor unseren Feinden oder hindern Sie sie wenigstens daran, unsere Flucht zu vereiteln. Wir haben gehört, dass Ihr Monarch eine Königin ist, und im Namen unserer gemeinsamen Weiblichkeit erflehen wir Ihre Hilfe.«
Ihr gefiel es nicht, dass ihr das Wort ›erflehen‹ entschlüpft war, aber es war zu spät, um es zu ändern.
Dunsinane nickte verständnisvoll.
»Judith, ich bin nur Wachoffizier und kann nicht für meinen Kommandanten sprechen. Ich lege ihm Ihre Bitte vor und antworte so rasch als möglich.«
»Wir können nur warten«, entgegnete sie.
Dunsinane unterbrach die Verbindung, doch sie erhielten kaum Zeit zu spekulieren, was ihr Kommandant denken mochte, als Odelia schon ein Signal von der Intransigent ankündigte.
»Ihr Captain möchte dich sprechen«, sagte sie.
»Stell ihn durch«, sagte Judith.
Commander Boniece war wenigstens ein Mann von einigen Jahren, und seine gebieterische Haltung erinnerte Judith an Gideon zu seinen besseren Zeiten. Es schadete auch nicht, dass er eine dunklere Haut hatte als die meisten Masadaner. Judith wusste, dass es keine Rolle spielen sollte, doch sie konnte nicht anders, sie vertraute ihm stärker, weil er ihren Feinden nicht ähnlich sah.
»Captain Judith«, sagte Boniece höflich. »Mein Wachoffizier hat mir Ihre Anfrage zugeleitet. Ich neige zwar dazu, denen zu helfen, die meine Königin anrufen, ich habe dabei jedoch ein Problem.«
»Ja?«
»Einige Stunden, bevor die Aronsstab die Umlaufbahn verließ, sind ein Kutter und eine Frachtfähre eingeschleust worden. Der Kutter stammte von dem silesianischen Freihändler Firebird , die Fähre von der Oberfläche.«
Er schwieg, und Judith antwortete: »Der Frachtshuttle hat meine Schwestern und mich aus der Sklaverei getragen.«
»Und der Kutter?«
»Gehörte Schmugglern, die verbotene Waren umschlugen. Sie sollten von Spießgesellen im Haus meines Ehemannes abgeholt werden.«
Sie sah, wie Commander Boniece die Brauen hochzog.
»Können Sie das beweisen?«
»Wir haben die Schmuggelware«, antwortete sie, »und wir haben einen Silesianer.«
»Und die anderen?«
»Sind tot. Wir konnten nicht riskieren, dass sie uns aufhalten. Wir sind verzweifelt, Captain.« Judith gelang ein sehr schwaches Lächeln. »Ihr Leben wäre auf jeden Fall verwirkt gewesen, wenn die Wahren Gläubigen sie fingen. Ihre Fracht bestand aus Alkohol, Rauschgiften und etwas, das ich für Pornografie halte – für den Besitz jeder einzelnen dieser Waren steht auf Masada die Todesstrafe. Wir waren vermutlich gnädiger zu ihnen als die Wahren Gläubigen wären, denn sie fanden einen schnellen Tod.«
»Ich bemerke, dass Sie sich selbst nicht zu den Wahren Gläubigen rechnen«, sagte Commander Boniece, »und dabei haben Sie gerade noch von Ihrem Ehemann gesprochen.«
Judith war es, als versuchte er, sie in die Enge zu treiben, und sie antwortete mit Vorsicht.
»Wenn wir vom Glauben an Gott sprechen«, sagte sie, »dann sind wir alle wahre Gläubige, denn wir vertrauen darauf, dass der Herr uns leitet. Wenn wir jedoch von den Wahren Gläubigen der Kirche der Entketteten Menschheit sprechen, so zählen wir uns nicht hinzu. Diese Wahren Gläubigen betrachten ihre Frauen als Eigentum. Dieses Recht erkennen wir nicht an.«
Sie bebte vor Zorn, der in ihr aufwallte.
»Nach ihrem Gesetz bin ich die jüngste Frau von Ephraim Templeton. Er hat mich geheiratet, als ich zwölf Jahre alt war, nachdem er zwei Jahre zuvor meine Eltern ermordet und mich geraubt
Weitere Kostenlose Bücher