Honor Harrington 5. Im Exil
hatte sie vor sechs T-Jahren kennengelernt. Damals war Mercedes die Segelmeisterin des Leichten Kreuzers Fearless gewesen. Obwohl sie eine lange Dienstzeit hinter sich hatte, war sie damals nur Lieutenant und hatte nach so vielen Jahren auf diesem Rang nicht mehr damit gerechnet, noch zum Stabsoffizier befördert zu werden. Und nun saß sie Honor in der Uniform eines Captains gegenüber, war aber immer noch der gleiche zuversichtliche und still kompetente Offizier wie damals.
Und das war Honors Meinung nach außerordentlich bemerkenswert, nach allem, was die Crew der Madrigal auf Blackbird hatte erdulden müssen.
»Mercedes«, sagte sie schließlich, »ich freue mich wirklich, Sie wiederzusehen. Und ich brauche wohl nicht zu sagen, wie zu zufrieden ich bin, daß Sie endlich den Rang bekommen haben, den Sie immer verdient hatten.«
»Danke, Ma’am. Ich hab’ mich noch immer nicht richtig dran gewöhnt.« Mercedes sah auf die vier normalen Goldstreifen an ihrem Ärmel. »Die Graysons haben mich die Treppe rauffallen lassen, als die Flotte mich ihnen ausgeliehen hat. Nachdem ich aus Basingford entlassen wurde, hat die Admiralität mich zum Voll-Commander befördert. Ich glaube allerdings nicht, daß man von mir erwartete, den Dienstgrad zu behalten.« Sie verzog das Gesicht. »BuPers hatte wohl angenommen, das wäre mein Abschiedsrang.«
»Aha?« fragte Honor mit sorgfältig neutral gehaltener Stimme. »Jawohl, Ma’am. Meine Beraterin schlug mir vor, über den Ruhestand nachzudenken – mit voller Pension selbstverständlich. Ich fürchte, ich … na ja, ich hab’ ihr gesagt, wohin sie sich ihren Rat stecken könne.«
Honors Mund zuckte. »Ich bezweifle, daß sie dieser Anregung sehr aufgeschlossen gegenüberstand.«
»Ich sehe schon, Sie haben auch Ihre Erfahrungen mit den Seelenklempnern gemacht, Ma’am«, stellte Mercedes fest, dann winkte sie ab. »Ach, sie hat es gut gemeint. Ich bin ja auch ganz dankbar dafür, daß man mich in Basingford wieder zusammengeflickt hat. Ich fürchte nur, die wußten gar nicht, wie gut sie ihren Job gemacht haben. Ihre eigenen Tests bescheinigten mir Diensttauglichkeit, aber sie meinten immer noch, ich sollte es ›langsam angehen‹.«
»Das wird zum Teil sicher daran liegen, was Ihnen angetan wurde«, entgegnete Honor leise.
»Ich bin nicht gerade das erste Vergewaltigungsopfer der Menschheitsgeschichte, Ma’am.«
Einen Augenblick lang schwieg Honor. Die Brutalität, mit der Mercedes Brigham behandelt worden war, konnte nicht mit einem einzigen Wort abgetan werden, auch nicht mit einem so häßlichen wie ›Vergewaltigung‹. Anderen Madrigals war noch Schlimmeres passiert. Mercedes’ Crew – Leute, für die sie verantwortlich gewesen war. Honor kannte aus eigener, bitterer Erfahrung das schreckliche Schuldgefühl, das einen Offizier befiel, wenn man im Kampf die eigenen Leute verlor. Wieviel schrecklicher mußte es sein, wenn sie an systematischer, sadistischer Folter starben?
Aber Mercedes verhielt sich weder ausweichend, noch stritt sie ab, was sie durchgemacht hatte – sie gab auch nicht vor, es wäre gar nicht so schrecklich gewesen. Vielmehr sprach sie darüber wie jemand, der damit viel besser fertig wurde, als Honor es je für möglich gehalten hätte. Honor schüttelte den Kopf und zwang sich, mit der gleichen Gelassenheit zu antworten.
»Das weiß ich, aber die Navy empfindet deswegen eine Art Kollektivschuld. Niemand hätte mit so etwas gerechnet, aber die Admiralität hat gewußt, als sie uns ins Jelzin-System schickte, daß weder Masada noch Grayson die Übereinkunft von Deneb unterzeichnet hatten – und daß sie beide ein wenig … nennen wir es rückständig waren. Wir wußten alle, daß Kriegsgefangene mißhandelt werden könnten, aber es war einfach zu lange her, daß etwas wie das auf Blackbird an RMN-Angehörigen verübt wurde. Wir hatten uns den Luxus erlaubt zu vergessen, was passieren kann . Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis die Flotte sich das verziehen hat.«
»Das verstehe ich durchaus, aber wissen Sie, wenn Leute, die es eigentlich besser wissen sollten, ständig versuchen, einen in Watte zu packen, dann ist auch nicht gerade der beste Weg, jemandem wieder auf die Beine zu helfen. Und wenn einem wieder und wieder erklärt wird, daß man selber nicht dran schuld gewesen ist, dann beginnt man sich allmählich zu fragen, ob sie’s nicht deshalb mit solcher Inbrunst wiederkäuen, weil sie in Wirklichkeit glauben, daß man eben
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