Honor Harrington 5. Im Exil
Vorgehen im Endicott-System zu jammern!«
»Zum Glück sind die Masadaner darauf noch nicht gekommen, Ma’am«, antwortete Mercedes düster. »Ihr Kulturerbe unterscheidet sich von unserem dermaßen, daß sie sich keine Staatsform vorstellen können, in der die Regierung tatsächlich Leuten mit anderer Meinung zuhören muß. Sobald sie das aber spitzkriegen und den Zeitungsfritzen Theater vorspielen …«
Sie zuckte die Achseln, und Honor nickte.
»Auf jeden Fall«, nahm Mercedes den Faden nach kurzer Pause wieder auf, »bin ich hauptsächlich deswegen in graysonitischen Dienst getreten, Ma’am. Die Graysons brauchten Offiziere, und ich mußte von Masada weg, sonst hätte ich am Ende etwas getan, das ich später bereut haben würde. Ich meine, ich weiß natürlich, daß die Graysons all die Bastarde gehenkt haben, die meine Leute vergewaltigt und ermordet haben, aber etwas in mir gibt allen Masadanern die Schuld. Und weil so viele von ihnen ausprobieren, wie weit sie bei uns gehen können, hätte es sehr leicht passieren können …«
Sie verstummte und schloß für einen Moment die Augen. Ihre Nasenflügel bebten. Dann hob sie die Lider und blickte ihrer Admiralin in die Augen.
Was Honor in Mercedes’ Augen sah, beruhigte sie. Mercedes litt unter ihren Dämonen, aber sie erkannte deren wahre Natur und hielt sie unter Kontrolle.
Und das , sagte sich Honor mit einem vertrauten Hauch von Bitternis, ist alles, was man von jemandem verlangen kann. Dennoch beschäftigte sie noch etwas anderes, und es gab nur eine Möglichkeit, die Antwort zu erfahren.
»Und Captain Yu?« In ganz ruhigem Ton stellte Honor die Frage, und Mercedes lächelte schwach.
»Sie meinen, ob ich ihn für das Schicksal der Madrigal verantwortlich mache, Ma’am?« Honor nickte.
Mercedes schüttelte den Kopf und sagte: »Er hat nur seine Pflicht getan. Es war ein Gefecht, nichts Persönliches. Mit dem, was dann auf Blackbird passiert ist, hatte er nicht das geringste zu tun. Yu hat sogar offiziell dagegen protestiert, daß wir an Williams übergeben wurden, nachdem er uns aufgenommen hatte.«
»Das hat Yu getan?« fragte Honor scharf. »Davon war bei der Verhandlung gegen Williams nie die Rede.«
»Die graysonitische Staatsanwaltschaft wußte damals auch nichts davon Mylady, und Yu hat gar nicht vor Gericht ausgesagt. Im Gegensatz zu Theisman besaß er keine Kenntnisse von den Vorgängen in der Basis, deshalb wurde er nicht einmal als Zeuge vorgeladen. Williams wiederum war auf Blackbird der einzige, der von dem Protest wußte. Glauben Sie vielleicht, er hätte etwas ausgesagt, das ›den Verräter Yu‹ in besserem Licht erscheinen ließe?«
Mercedes schnaubte bitter.
»Wie haben Sie davon erfahren?« fragte Honor. »Hat er es Ihnen gesagt?« Gegen ihren eigenen Willen vermochte Honor nicht, die uncharakteristische Spitze zu unterdrücken.
Mercedes blickte sie erstaunt an. »Nein, Ma’am. Nach der Landung auf Masada wurden als allererstes die planetaren Archive und die Akten der havenitischen Botschaft beschlagnahmt. Natürlich kamen wir zu spät, um noch irgendwelche Havie-Geheimdokumente zu finden, aber die Masadaner waren nicht so fix im Aktenvernichten. Es stellte sich heraus, daß Schwert Simonds einige Kopien von Captain Yus ›ungehorsamen‹ Protesten abgelegt hatte.«
»Ich verstehe.« Honor wandte den Blick ab. Heiß stieg ihr das Blut ins Gesicht, als ihr gewahr wurde, wie sehr sie gehofft hatte, es möge sich herausstellen, daß Yu selbst Mercedes von angeblichen Protesten berichtet hätte. Daß sie zu gern geglaubt hätte, es handele sich dabei um eine eigennützige Erfindung. Die Schamröte vertiefte sich noch, als sie ihre kleinliche Hoffnung erkannte, etwas zu finden, das sie ihrem Flaggkommandanten anlasten konnte. Nimitz blickte sie von seinem Ruhelager auf dem Modul an. Sie spürte, wie er sie für ihre Selbstanklage schalt, aber diesmal wußte sie genau, daß er unrecht hatte.
»Ich verstehe«, wiederholte sie mit ruhigerer Stimme und sah Mercedes wieder ins Gesicht. »Dann kann ich davon ausgehen, daß Sie überhaupt keine Probleme haben, mit ihm zu dienen?«
»Überhaupt keine«, bestätigte ihr Brigham mit fester Stimme. »Er ist in einer miserablen Lage, Ma’am, und ich möchte wirklich nicht in seiner Haut stecken. Er hätte nach Manticore zurückkehren können, nachdem das Amt für Schiffsbau mit ihm fertig war. Hierzubleiben, das war seine eigene, freie Entscheidung. Ich bezweifle nicht, daß
Weitere Kostenlose Bücher