Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
Menschen zu organisieren und sie zum besten Nutzen einzusetzen. Im Laufe der folgenden zwanzig T-Jahre schaffte er moderne Mikrobiologen und Gentechniker herbei und löste das Problem, indem er terranische Feldfrüchte züchten ließ, die über die ansässigen Mikroben nur lachen konnten. Potsdam würde niemals eine Gartenwelt sein wie Darwin’s Joke oder Maiden Howe, die sogar imstande waren, Lebensmittelüberschüsse zu exportieren, aber wenigstens vermochten die Bewohner der Welt nun sich und ihre Kinder von den Erträgen der Scholle zu ernähren.
Durch diesen Erfolg akzeptierten die Bewohner von Kuan Yin ihren Kaiser mehr als bereitwillig. Seine Eigenarten bekümmerten sie nicht weiter – sie wären bereit gewesen, ihm außer geistiger Unzurechnungsfähigkeit alles zuzugestehen, und wurden ihm sehr ergebene Untertanen. Anderman begann, das eine Produkt heranzuziehen und zum Exportartikel zu machen, auf das er sich wirklich verstand – fähige, gut geführte Söldner. Später ging er dann selbst ins interstellare Eroberergeschäft. Als er starb, war Neu-Berlin das Zentrum eines Imperiums aus sechs Sonnensystemen, und seitdem war das Reich immer weiter angewachsen, manchmal sehr langsam und kaum spektakulär, aber unaufhaltsam.
»Wir werden angerufen, Ma’am«, meldete Lieutenant Cousins plötzlich, und Honor stutzte, als seine Stimme ihre Betrachtungen unterbrach. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte sie den Signaloffizier an, der zur Antwort mit den Schultern zuckte. »Ein Richtstrahl, ausdrücklich an ›Kapitän von RMMS Wayfaren adressiert‹«, erklärte er, und Honor runzelte die Stirn.
»Absender?«
»Weiß ich nicht genau, Ma’am. Keine Identifikation, aber der Strahl kommt aus Null Zwo Zwo.«
»Jennifer?« Honor blickte den Taktischen Offizier an, und Hughes gab eine Anfrage in ihre Konsole.
»Wenn Freds Richtungsmessung stimmt, dann kommt der Strahl von diesem Superdreadnoughtgeschwader dort«, antwortete sie kurz darauf, und Honor zog die Stirn noch stärker in Falten. Es bestand nicht der geringste Grund, weshalb ein Großkampfschiff der kaiserlichen Flotte einen bestimmten manticoranischen Frachter anrufen sollte. Einen Augenblick lang trommelte sie mit den Fingern auf die Lehne des Kommandosessels, dann zuckte sie die Achseln.
»Stellen Sie ihn durch, Fred, aber begrenzen Sie den Aufzeichner auf mein Gesicht.«
»Jawohl, Ma’am.« Eine enge Begrenzung war nicht unbedingt üblich, aber auch nicht allzu ungewöhnlich. Honors verräterische manticoranische Uniform blieb auf diese Weise jedenfalls aus dem Bild. Sie setzte ein Lächeln auf, als die Bereitschaftsanzeige am Aufzeichner neben ihrem rechten Knie aufleuchtete und ein Mann sie aus dem kleinen Bildschirm darunter anblickte.
Wie die meisten Bewohner von Neu-Berlin hatte er hauptsächlich chinesische Vorfahren, und rings um seine Augen erschienen Lachfältchen, als er Honors Erscheinung begutachtete. Er trug die weiße Uniform eines Großadmirals der andermanischen Weltraumflotte, und rechts an seinem runden Hochstehkragen glitzerte eine kleine, vielstrahlige Sonne aus Gold. Als Honor sie sah, hatte sie Mühe, ihr Lächeln aufrechtzuerhalten, denn diese Sonne wurde nur von Menschen getragen, die in der direkten Thronfolge der kaiserlichen Linie standen.
» Guten Morgen, Frau Kapitän. « Die Amtssprache des Andermanischen Reiches war Deutsch. »Ich bin Chien-lu Herzog Anderman von Ravenheim«, fuhr der Großadmiral in leicht gutturalem Standardenglisch fort, »und im Namen meines Cousins, Seiner Majestät des Kaisers, heiße ich Sie im Neu-Berlin-System willkommen.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Sir«, antwortete Honor vorsichtig und versuchte sich irgendeinen plausiblen Grund vorzustellen, weshalb ein Angehöriger des andermanischen Hochadels den Kapitän eines Frachters persönlich begrüßen sollte. Ihr fiel keiner ein, und trotzdem besaß Ravenheim offenkundig einen Anlaß. Da Honor das Reichsgebiet mit einem bewaffneten Schiff durchquerte, ohne daß jemand sich die Mühe gemacht hatte, das Kaiserreich davon in Kenntnis zu setzen, mußte sie nun mit allem, was sie sagte, sehr, sehr vorsichtig sein.
»Nun, ich glaube, Sie können den Aufzeichner ruhig auf normal stellen, Lady Harrington«, brummte der Großadmiral, und Honor kniff die Augen zusammen. »Kann schließlich kaum bequem sein, die ganze Zeit so still zu sitzen, nur damit ich Ihre Uniform nicht sehe, Mylady«, fügte er fast entschuldigend hinzu. Honor
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