Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
durchbrechen, als es vorher möglich gewesen war. Auf ein höheres Hyperband zu wechseln war zwar noch immer kein Honiglecken, und selbst heute geraten dabei gelegentlich Schiffe in Raumnot. Ein Schiff unter Warshawski-Segeln schiebt sich in eine Gravwelle, die in die passende Richtung führt und gleitet darauf voran, ähnlich einem Flugzeug im Aufwind. Die Zugänglichkeit der höheren Bänder gestattete einem Sternenschiff eine scheinbare Geschwindigkeit von knapp über 800 c. Eine Einschränkung für das Reisetempo blieb jedoch bestehen: Sie hing von der Reichweite des Grav-Detektors ab. In den höheren Bändern sind die Gravwellen durch die zunehmend verzerrte Natur des Hyperraums stärker und zugleich enger. Die fünf Lichtsekunden große Reichweite des ursprünglichen Warshawski-Detektors bot oberhalb der Gamma-Bänder eine nur unzureichende Vorwarnzeit und erlegte der Geschwindigkeit eine unvermeidliche Obergrenze auf. Außerdem muss das Warshawski-Segel justiert werden, indem man die Feldstärke absenkt und einen größeren Anteil der Gravwellenenergie ›hindurchsickern‹ lässt. Die Beschleunigung nimmt sonst im höheren Maße zu, als ein Mensch ertragen kann. Das alte Schreckgespenst des Lastvielfachen blieb daher für die nächsten einhundert Jahre ein ungelöstes Problem.
Im Jahre 1384 P. D. jedoch gelang dem Physiker Shigematsu Randhakrishnan ein weiterer entscheidender Durchbruch: Er entwickelte den Trägheitskompensator. Sein Kompensator verwandelt die Gravwelle, die ein Raumfahrzeug umgibt (ob natürlichen und künstlichen Ursprungs) in eine ›Schwerkraftsenke‹, in der die Beharrungskräfte bei Beschleunigung verschwinden. Dadurch werden für die Besatzung des Raumschiffs alle Beschleunigungsbelastungen aufgehoben, die mit dem Antriebssystem zusammenhängen. Innerhalb der Grenzen seiner Nutzleistung neutralisiert der Trägheitskompensator sämtliche Beharrungskräfte und unterwirft ein beschleunigendes Raumschiff beständiger interner Schwerelosigkeit. Seine Kapazität steht in direktem Zusammenhang zur Energie der umgebenden Gravwelle und ist umgekehrt proportional zur Ausdehnung des Gravitationsfeldes und der Masse des Schiffes, in dem das Feld erzeugt wird. Die erste Abhängigkeit hat zur Folge, dass der Trägheitskompensator für Sternenschiffe weitaus wirksamer ist als für unterlichtschnelle Raumfahrzeuge, denn Sternenschiffe können im Hyperraum von der höheren Energie der natürlichen Gravwellen zehren. Die zweite Beziehung bedeutet, dass der Trägheitskompensator eines kleinen Sternenschiffs wirksamer ist als der eines großen: Die natürlichen Gravwellen des Hyperraums bieten durch ihre unvergleichbar höhere Energie eine viel ›tiefere‹ Senke als die künstlichen Verzerrungsbänder eines Impellertriebwerks. Unter Warshawski-Segeln vermag das gleiche Sternenschiff folglich wesentlich höhere Lastvielfache von seinen Insassen abzulenken als unter Impellern. Im Allgemeinen erlaubt ein Kompensator zu Anfang des 20. Jahrhunderts P. D. Beschleunigungen um 550 g unter Impellern und 4.000 – 5.000 g unter Warshawski-Segeln. Hyperschiffe sind daher in der Lage, den Geschwindigkeitsschwund bei der Transition binnen kürzester Zeit auszugleichen. Die angegebenen Werte beziehen sich übrigens auf militärtaugliche Kompensatoren, die eine größere Masse als zivile Maschinen aufweisen, einen höheren Energie- und Wartungsaufwand verlangen und außerdem in der Anschaffung erheblich teurer sind als die Anlagen, die in einem zivil genutzten Schiff Verwendung finden. Militärtaugliche Trägheitskompensatoren gestatten höchstmögliche Beschleunigung, denn kein Kriegsschiff kann es sich erlauben, weniger manövrierfähig zu sein als seine Gegner. Die Nachteile in Sachen Anschaffungspreis, Masse, Wartungs- und Betriebskosten sind indes zu hoch, als dass sie für ein gewöhnliches Kauffahrerschiff wirtschaftlich wären.
In der Praxis erzielen Schiffe zu Honor Harringtons Zeiten Beschleunigungen, wie sie in Tabelle 2 wiedergegeben sind.
Zu den in der Tabelle 2 aufgeführten Beschleunigungswerten ist anzumerken, dass es sich dabei um Maximalwerte handelt, das heißt, die Leistungsreserven des jeweiligen Trägheitskompensators sind bei jedem der angegebenen Beispiele voll ausgeschöpft. In der Praxis behalten sich Kampfschiffe eine Sicherheitsspanne von zwanzig Prozent der Kompensatorleistung vor, und bei Handelsschiffen beträgt die Sicherheitsreserve sogar bis zu fünfunddreißig Prozent. Man sollte
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