Honor Harrington 8. Die Siedler von Sphinx
Freiheitler anhört – bis man begreift, dass der Angriffspunkt der Neuen Menschen nicht etwa in den alten Machtgruppen besteht, sondern darin, dass sie diese Macht nicht kontrollieren. In mehr als einer Hinsicht stellen die Neuen Menschen das Gegengewicht des niederen Adels zum Bund der Konservativen dar und werfen beharrliche Angriffe gegen die Bastionen der Macht und die Schanzen des Privilegs. Im Gegensatz zu den Freiheitlern und Progressiven meinen die Neuen Menschen aber, dass die Beute dem Sieger gehört, und betreiben keineswegs den Umsturz des Systems; sie möchten nur gern selbst an die Schalthebel der Macht gelangen. Zur Finanzpolitik haben die Neuen Menschen lediglich ein sehr grob umrissenes Konzept vorzuweisen und teilen mit dem Bund der Konservativen den Hang zum Isolationismus; dem Militär misstrauen sie indes und sehen es als eine weitere Bastion der etablierten Mächte. Im Grunde stehen die Neuen Menschen jeder anderen Partei oppositionell gegenüber. Von allen größeren Parteien besitzen sie im Unterhaus den geringsten Rückhalt, doch ihre strikte Parteidisziplin gestattet es Wallace, verlässlich eine bestimmte Stimmenzahl zu präsentieren; im Verein mit seiner Bereitschaft, auf rein pragmatischer Basis mit jedem einen Handel einzugehen, verleiht ihm dieser Aktivposten erheblich mehr parlamentarischen Einfluss, als die nackten Zahlen vermuten lassen.
Machtkämpfe. Zusätzlich zu den obigen Parteien existieren mehrere kleine, oft spontan gebildete Splittergruppen im Parlament, die in der Regel kommen und gehen und sich zumeist um einen einzigen charismatischen Anführer scharen. Der eigentliche Machtkampf findet indes zwischen der Koalition aus Zentralisten und Kronenloyalisten auf der einen und den Freiheitlern und Progressiven auf der anderen Seite statt; erstgenannte Koalition besitzt einen gewissen Vorteil im Unterhaus und die andere Koalition einen Vorsprung im Oberhaus. Freiheitler und Progressive koalieren stärker, tiefgehender und verlässlicher als Zentralisten und Kronenloyalisten, da beide Parteien die Außenpolitik als Ablenkung von den wirklich wichtigen Fragen der Tagesordnung betrachten. Zentralisten und Kronenloyalisten stehen oft über innenpolitischen Fragen im Zwist, verfolgen in Bezug auf die Außenpolitik jedoch eine gemeinsame Linie und befürworten eine militärische Stärke, die auf Herausforderungen vorbereitet ist. Beide genießen sie die Unterstützung der Krone, ein entscheidender Vorteil. Allerdings halten die Loyalisten die Vorkriegsentscheidung der Zentralisten, es notfalls auf eine Konfrontation mit Haven ankommen zu lassen, noch immer für falsch; einige behaupten sogar, die Zentralisten hätten die Krise künstlich geschürt. Traditionell verschiebt der Bund der Konservativen die Waagschale ein wenig zugunsten der beiden monarchistischen Parteien, weil es ihm auf eine starke Flotte ankommt, doch existiert zugleich immer die Gefahr, dass der Bund einen außenpolitisch motivierten Handel mit den Progressiven und Freiheitlern schließt, obwohl die grundlegende Antipathie des Bundes für alle innenpolitischen Fragen den langen Fortbestand einer Koalition sehr unwahrscheinlich macht. Das Zünglein an der Waage sind daher oft die ›Neuen Menschen‹. Trotz ihrer verhältnismäßig geringen Zahl konzentrieren sie sich im Oberhaus, wo die Mehrheit der Zentralisten und Kronenloyalisten am dünnsten ist. In keiner Partei glaubt irgendjemand, dass die Neuen Menschen lange mit den Freiheitlern oder den Progressiven zusammenarbeiten könnten, da die innenpolitischen Ziele der Neuen Menschen in einem diametralen Gegensatz zu den Zielen der beiden anderen Parteien stehen, doch die Möglichkeit einer vorübergehenden Koalition, um den ›Würgegriff‹ der Zentralisten und Kronenloyalisten zu brechen, kann man nicht völlig von der Hand weisen. Für beide Seiten würde dies eine zynische Vernunftehe bedeuten, und vermutlich stünde für beide fest, dass nach Niederschlagung des gemeinsamen Gegners ein schwerer Machtkampf zwischen Freiheitlern, Progressiven und Neuen Menschen ausbrechen würde. Die eigentliche Furcht des Herzogs von Cromarty besteht allerdings darin, dass die Neuen Menschen nach dem Sturz der ›etablierten Machthaber‹ zu dem Schluss gelangen könnten, Freiheitler und Progressive seien derart gleichwertig, dass die Neuen Menschen den Ausgang des Machtkampfes allein dadurch bestimmen könnten, indem sie eine von beiden Seiten unterstützen.
5. Der
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