Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
hätten Sie Recht, Mylord, wenn Sie in Ihrem Sonnensystem eine Werft mit der nötigen freien Kapazität finden könnten«, entgegnete Matthews in keineswegs entschuldigendem Tonfall.
»Na, da hat er dich aber, Willie«, bemerkte White Haven lächelnd. »Außerdem sieht die Politik Ihrer Majestät immer noch vor, das Wachstum der graysonitischen Industrie zu unterstützen, oder?«
»Ja. Ja, so ist es«, gab Alexander zu. »Wenn ich den Eindruck erweckt habe, ich meinte etwas anderes, so entschuldige ich mich, Hochadmiral. Sie haben mich einfach überrascht.«
»Wir wissen genau, wie tief wir in der Schuld des Sternenkönigreichs stehen, Lord Alexander«, antwortete Matthews aufrichtig, »und wir legen es nicht im Entferntesten darauf an, Sie zu übervorteilen oder gar auszubooten. Doch gleichzeitig lag unser wirtschaftlicher Startpunkt so weit hinter Ihrem, dass er uns gewisse Chancen bietet, und wir wären töricht, sie nicht zu nutzen. Auf absehbare Zeit profitieren wir beide davon. In weniger als einem Jahrzehnt ist das Volumen unseres interstellaren Handels um mehrere tausend Prozent gestiegen, und das hat zu einem Wirtschaftsboom geführt, obwohl wir im Krieg sind. Gleichzeitig sparen Sie tatsächlich Geld, wenn Sie Schiffe und Bauteile von uns kaufen, selbst dann noch, wenn man die Darlehen und Handelsanreize aufrechnet, die das Sternenkönigreich uns bei Allianzbeitritt gewährt hat. Und in Bezug auf die Navy von Grayson«, das Grinsen des Hochadmirals offenbarte ebenmäßige weiße Zähne, »sage ich mir gern, dass unsere zunehmende Präsenz einen kleinen Beitrag zur militärischen Sicherheit unserer beider Nationen leistet.«
»Nun, daran kann wirklich kein Zweifel bestehen«, stellte White Haven fest, und Alexander und Caparelli bekundeten ihre Zustimmung mit ernstem Nicken.
Und bestimmte Dinge haben wir noch gar nicht erwähnt , dachte der Earl, zum Beispiel die modernen Trägheitskompensatoren und die Atommeiler für die neuen LACs – all das hätten wir ohne die Graysons nicht. Ihre Gewohnheit, alles mit unglaublichem Verve in Angriff zu nehmen – wie den Bau ihrer eigenen Medusas – treibt uns insgesamt ein wenig härter an, als wir uns selbst antreiben würden. Er faltete die Hände hinter dem Rücken und betrachtete den gewaltigen Superdreadnought-Rumpf. Nein, es spielt überhaupt keine Rolle, wie viel wir in Jelzins Stern investieren. Was immer unter dem Strich herauskommt, wir haben schon verdammt viel mehr zurückbekommen als hineingesteckt.
William Alexander hatte in seinem Leben schon zu viele formelle Diners erlebt. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder genoss er gesellschaftliche Ereignisse, doch formelle Diners gehörten selbst für seinen Geschmack zu sehr zum Berufsalltag und waren meist ungefähr so aufregend und vergnüglich wie ein verstauchter Knöchel.
Dieser Empfang jedoch war anders. Zum allerersten Mal nahm William an einem graysonitischen Galadiner teil, und diesmal war er nicht beflissener Gastgeber, sondern gehörte zu den Ehrengästen. Allein darüber hätte er erleichtert sein müssen, doch die Graysons hatten ihn überdies mit aufrichtiger Herzlichkeit willkommen geheißen. Beim Essen erhielt er Gelegenheit, am Tisch zu sitzen und über die zahlreichen Eindrücke nachzudenken, die er in den letzten zwei Tagen erhalten hatte. Er verfügte über so viele Informationen, dass es ihm schwindelte, und doch war er sehr dankbar, hergekommen zu sein (nicht nur um als Sprecher des Premierministers zu erklären, weshalb der Aufbau der 8. Flotte sich so weit in die Länge zog). Auf dieser Reise hatte er so vieles gehört und gesehen, was er zu Hause auf Manticore niemals erfahren hätte, eine hinreichende Begründung dafür, die Mühen überhaupt erst auf sich genommen zu haben.
Merkwürdig, überlegte er, wie viele der führenden Persönlichkeiten im Sternenkönigreich – ihn bislang eingeschlossen – dazu neigten, von Grayson als einer unterentwickelten Gesellschaft zu denken, die noch immer unter der Barbarei der Jugend litt. Seine Besichtigung der Blackbird-Werft hatte dieses Vorurteil bei ihm unterminiert, doch das war nur der Anfang gewesen. Die Blitztour durch ein halbes Dutzend Schiffe, die Hochadmiral Matthews für Caparelli und ihn arrangiert hatte, die Besichtigung der neuen Schulen, bei der Katherine Mayhew persönlich als Führerin fungierte, und die intensiven Konferenzen mit Lord Prestwick und dem Rat lehrten ihn eins: Was immer diese Menschen waren, sie
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