Honor Harrington Bd. 16
wird doch nicht so kleinlich sein?«
Auf der vorletzten Treppenstufe blieb Cathy stehen; indem sie mit der Hand einen leichten Druck auf seinen Ellbogen ausübte, hielt sie auch Du Havel an. Er begriff, dass sie mit Vorbedacht handelte, um der Menge einen Augenblick zu gewähren, in dem sie den Ehrengast des Abends bewundern konnte.
Nach wie vor geriet ihr formvollendetes Lächeln kein bisschen ins Schwanken. »Sei nicht albern. Elizabeth ist in keiner Hinsicht kleinlich. Es geht nicht um das Prinzip, sondern um Sportsgeist. Als wir noch Kinder waren, beklauten sie und ich uns dauernd gegenseitig. Eine Art Wettstreit war es, was wir da ausführten.«
»Und wer hat gewonnen?«, flüsterte er.
»Punktemäßig war Elizabeth weit abgeschlagen, als die Königinmutter - damals noch die Königin - mir ein komplettes Palastverbot aussprach. Ich glaube, Elizabeth trägt es mir immer noch ein wenig nach, dass ich damit unbestrittene Siegerin blieb. Deshalb sah ich keinen Grund darin, sie nach all den Jahren wieder mit der Nase darauf zu stoßen.«
Der Haushofmeister trat vor. Mit tragender Stimme sprach
er:
» Catherine Montaigne, ehemalige Gräfin of the Tor! Und ihr Gast, der Sehr Ehrenwerte Professor Doktor W. E. B. Du Havel!«
Aus dem hinteren Teil des Foyers ließ sich eine Stimme vernehmen, eine junge Frauenstimme, die Du Havel erkannte. Sein Blick entdeckte augenblicklich die hochgewachsene Gestalt von Anton Zilwickis Tochter Helen.
»Sie werden nachlässig, Herbert! Wie viele Doktortitel?«
Ein kurzes Gelächter lief durch die Menge. Der Haushofmeister ließ es verstummen, bevor er weiterdröhnte:
»Mehr als man zählen kann, Midshipwoman Zilwicki! Mein schwacher Geist ist der Aufgabe nicht gewachsen. Ich erinnere mich nur...«
Er begann, die Liste von Du Havels akademischen Würden und Ehrungen abzuspulen - wobei er nicht sehr viele vergaß, wie Du Havel auffiel - und endete mit dem unausweichlichen: »Nobel-Shakhra-Preisträger für Menschliches Streben und Träger der Solarischen Medaille!«
»Ihr beiden Rangen habt das inszeniert«, brummte Du Havel. Cathys Lächeln verbreiterte sich um eine Winzigkeit.
Doch gegen seinen Willen kam Du Havel nicht umhin, ein wenig echten Stolz über die lange Liste zu empfinden. Gewiss, eine Anzahl der Titel war ehrenhalber verliehen, aber die meisten nicht - und ehrenhalber hatte er sie allein wegen seiner Leistungen verliehen bekommen, nicht wegen seiner Herkunft.
Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht für einen Mann, der in einer Sklavengrube von Manpower Unlimited zur Welt gekommen war und dessen Geburtsname J-16b-79-2/3 lautete.
Nach einer halben Stunde hatte sich Du Havel ein wenig entspannt. Zum Glück schien Cathy Recht zu behalten, was seine aberwitzige Aufmachung anging. Wenn er zwischen den Kostümen vieler anderer Gäste auf der Soiree überhaupt auffiel, dann dadurch, dass er ein wenig dezenter gekleidet war. Und während Du Havel keine Übung darin hatte, der offizielle Ehrengast einer großen Zusammenkunft der obersten Zehntausend einer Sternnation zu sein, so war er doch keineswegs ein schüchternes Mauerblümchen. Wie jeder kultivierte und erfahrene Hochschullehrer war er ein Altmeister in der Kunst der Konversation.
Außerdem, wie er nun fast unvermittelt plötzlich begriff, hatte das heitere Zwischenspiel von Helen Zilwicki und dem Haushofmeister seine Einführung in die manticoranische obere Gesellschaft mit genau dem richtigen Touch von Heiterkeit versehen. Er war sich sehr sicher, dass Cathy es von Anfang an geplant hatte.
Tatsächlich war er recht beeindruckt. Schon seit langem wusste er, dass es Cathy an nichts mangelte, was eine gute Politikerin ausmachte. Doch in den langen Jahren ihres altirdischen Exils, während derer er sie kennen lernte, hatte sie diese ihre Talente nie wirklich ausgeübt. Damals hatte er vermutet - und er glaubte bestimmt, dass diese Vermutung heute bestätigt worden war -, dass der Grund dafür in ihrem Schock zu suchen sei, aus der manticoranischen Aristokratie ausgeschlossen worden zu sein. So vehement sie auch bestritten hatte, dass es ihr etwas ausmache - nur wenige Menschen steckten es mühelos weg, wenn die Gesellschaft sie zurückwies, in der sie aufgewachsen waren. Ihr Selbstwertgefühl musste darunter leiden, wenn auch oft so unterschwellig, dass sie es nicht bewusst wahrnahmen.
Als er nun beobachtete, mit welcher Leichtigkeit und Anmut sie sich durch die Menge bewegte, wusste er, dass sie nichts
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