Honor Harrington Bd. 16
meinerseits nichts nach.«
»Danke, Sir.« Sie stand auf und wollte sich umdrehen. Rozsak hielt sie auf, indem er sie beim Ärmel nahm.
»Kommen Sie morgen wieder her, Thandi. Oder noch besser, arrangieren Sie eine Besprechung in einer größeren Abteilung, die meinem Stab und allen, die Ihrer Meinung nach dabei sein sollten, genug Platz bietet. Da ist noch die Sache - ha! Wahres Understatement den Angriff auf Congo zu planen. Ich habe einige Neuigkeiten aus dem Maya-Sektor, die für Sie alle wichtig sind. Und ich darf vorschlagen, dass wir Ihren Abschied vorerst noch für uns behalten.«
Thandi sah, wie der Captain und seine Stabsoffiziere einen bedeutungsvollen Blick tauschten. Huang räusperte sich. »Über diese Möglichkeit sollten Sie nachdenken, Thandi. Wir könnten Sie - nur für eine Weile, und nur pro forma - auf der Offiziersliste des Marinecorps halten. Mit sofortiger Beförderung auf einen Rang, der es plausibel macht, weshalb Sie bei dem Sturmangriff eine recht große Marineseinheit führen.«
Der Lieutenant-Colonel grinste unheilverkündend. »Ich werde Ihr Berater sein. Ich halte mich im Schatten, während
Sie im Rampenlicht stehen. Dadurch erhalten Sie eine Chance, zum ersten Mal unter idealen Bedingungen eine große Einheit ins Gefecht zu führen. Im Grunde das, was wir sowieso geplant hatten. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Sie danach offiziell Ihren Abschied nehmen.«
Thandi blickte von ihm zu Rozsak. »Ich schlage ja nur vor, Thandi«, sagte der Captain, »dass Sie, nachdem Sie durch Ihren Abschied nun Ihre Nerven beruhigt haben, die Lage allmählich aus dem taktischen und politischen Blickwinkel zu betrachten beginnen. Holen Sie sich Rat von den Leuten, denen Sie näher gekommen sind. Ich rede von Professor Du Havel und Jeremy X. Ihrem Freund Cachat natürlich auch. Es hätte Vorteile, die Sache so anzugehen, wie wir es vorschlagen. Vorteile für Sie und für uns.«
Er machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Aber Sie brauchen mir jetzt keinen Bescheid zu geben. Beraumen Sie einfach die Besprechung an, um die ich gebeten habe.«
Thandi nickte, salutierte und verließ die Abteilung.
Draußen auf dem Korridor tauschte Thandi einen höflichen Blick mit Lieutenant Georgos und ging weiter. Sie musste ein wenig kämpfen, um mit der üblichen Geschwindigkeit zu gehen, anstatt auszuschreiten. Im Grunde wollte sie so rasch als möglich fort von dieser Abteilung.
Nicht aus Scham oder Schuldgefühl - auch nicht aus Angst. Es war die einfache Reaktion eines Menschen, der einem Behemoth in den Weg gerät und die Begegnung überlebt. Unversehrt, wie es sich ergibt - aber dennoch mehr als nur motiviert, einige Entfernung zwischen sich und den Koloss zu bringen.
Sobald sie um eine Ecke gebogen und außer Sicht war, blieb Thandi stehen und lehnte sich ans Schott. Sie verschränkte die Arme über der Brust und atmete mehrmals tief durch.
Sie hatte nicht gelogen. Sie hielt Captain Luiz Rozsak wirklich nicht für ein Ungeheuer. Er war kein schlechter Mensch, weder grausam noch mit Vorbedacht herzlos. Amoralisch gewiss, doch Thandi war keine Heuchlerin und wusste sehr gut, dass man sie selbst ebenfalls als amoralisch bezeichnen konnte. Vielleicht nicht in jeder Hinsicht. Na und? Captain Rozsak war auch nicht in jeder Hinsicht amoralisch. Nur ... bei allem, was mit seinem Ehrgeiz in Berührung kam.
Dieser große, alles niederwalzende Behemoth Ehrgeiz. Ein Ehrgeiz, der in seiner Gier Thandi mehr als an alles andere an die großen Raubtiere erinnerte, die durch die Ozeane ihrer Heimatwelt streiften.
Auch diese Geschöpfe waren keine Ungeheuer, nur große Raubtiere, die ihrer Natur nachhingen. Eine wohltuende Kraft, wenn man sich zurücklehnte und die Ökologie des Planeten als Ganzes betrachtete. Sie hielten nicht nur das Meeresleben Ndebeles im Gleichgewicht, sondern boten einer Vielzahl von Symbionten und Aasfressern unmittelbar Nahrung.
Nichts davon verhinderte allerdings, dass eine Begegnung mit einem von ihnen auf offener See eine furchteinflößende Erfahrung darstellte. Und Thandi wusste nun mit Sicherheit, dass ihre Erwartungen an ihr Leben, worin immer sie bestanden, auf keinen Fall eine Existenz als Symbiontin oder Aasfresserin einschlossen.
Sie entspannte sich ein wenig und hielt sich ihre neu erworbene ›kleine Schwester‹ vor Augen, um das ängstigende Bild des gewaltigen Meereswesens, das durch die Tiefen schwamm, zu verdrängen. Sie hielt das neue Bild fest, so fest, wie
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