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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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oder nicht, ständig gezwungen, sich nicht ins Verhältnis zu setzen, sondern andauernd alles in eins zu werfen und dabei die Realität als Kategorie förmlich auszulöschen, da die Autorin offenbar keinen Begriff von Ort, Zeit und Handlung hat und sich an keiner Stelle die Mühe macht, eine wie auch immer geartete Wirklichkeit wenigstens versuchsweise und ohne Klischees zu simulieren. Bleibt am Ende die Frage: Was haben wir, ihre Leser, davon? Das Unterwegssein in Hoppes Privatkosmos mag unterhaltsam sein, auf Dauer hinterlässt es aber, im günstigsten Fall, nicht mehr als Ratlosigkeit.«
    Der Unmut des Kritikers ist nachvollziehbar. Nicht erst zwischen New York und Australien macht sich das Winterkind Hoppe, das mit dem Leben nicht einverstanden ist und angeblich auch in der Hitze des Äquators nicht die geringsten Anstalten macht, sein wasserdichtes Rattenkostüm abzulegen, die Erde und ihre Ozeane untertan. Kaum eine Autorin, die weiter über die Meere gereist ist, und kaum eine, die die Seefahrt so beharrlich und ausdrücklich wider besseres Wissen so entschieden klischeehaft beschreibt. Wären Hoppes Reisen nicht (wenigstens teilweise) faktisch verbürgt, man hielte sie allesamt für erfunden, ihre gesamte Literatur für ein durch und durch hochgestimmtes »Als ob«.
    In diesem »Als ob« reist Hoppe nach eigenen Gesetzen, eigenen Karten und eigener Zeitrechnung, wie ein weiteres Beispiel aus
Not und Tugend
zeigt: »Winter und Sommer waren uns gleich. (Sic!/fh) Wir wussten nicht, wie man Äpfel von den Bäumen holt, aber wir träumten davon, kleine Mädchen mit großen Schmetterlingsnetzen von den Schulwegen wegzufangen und zu verkaufen an Sammler in ferne Länder. Fluchen wollten wir dabei wie die Matrosen, obwohl in dieser Gegend niemand weiß, wie Matrosen fluchen.«
     
    Dass Hoppe sich immer wieder ausdrücklich selbst in eine Reihe mit ihren Weggefangenen gestellt hat, veranschaulicht das permanent wiederkehrende Motiv von ihrem »Entführervater«, den wir uns, wollen wir ihren Erzählungen folgen, als eine Art Ratten- und Menschenfänger vorzustellen haben, der mit einem überdimensionalen Schmetterlingsnetz bewaffnet (ein typisches Hopperequisit) in einer wie immer bei Hoppe nicht recht dingfest zu machenden Gegend auf Jagd geht. Und weil nicht nur in dieser Gegend angeblich niemand weiß, »wie Matrosen fluchen«, sondern weil es vermutlich überhaupt niemand weiß, bleiben auch der Fluch und das Fluchen in Hoppes Werk ein mit schöner Regelmäßigkeit wiederkehrendes Thema.
    In einem Vortrag mit dem Titel
Dass euch der Donner schände, ihr Hunde!
, gehalten im Frühjahr 2007 auf Einladung des Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven, unterhält die Autorin ihr Publikum zunächst eine gute halbe Stunde lang mit einem Repertoire ausgewählter Flüche aus über fünf Jahrhunderten, um dann unvermutet fortzufahren: »Wie ich sehe, haben Sie Sinn für Flüche, das gefällt mir. Aber vergessen Sie nicht, dass ich das wenigste davon selber gehört habe, und ob das wenige, das ich tatsächlich gehört habe, nicht eigens für mich erfunden wurde, weil man mich nicht enttäuschen wollte, ist auch nicht sicher. Aber je länger und weiter ich reise, umso weniger habe ich eine Sprache für das, was ich höre und sehe. Am Anfang scheint alles noch halbwegs in Ordnung zu sein, aber sobald ich anfange, darüber zu sprechen, beginne ich unwiderruflich zu stottern. Ganz zu schweigen vom Schreiben, denn spätestens auf dem Papier gibt es kein Entrinnen mehr, dort kann man nämlich nicht stottern, auch nicht mit Händen und Füßen, weil dort alles ganz anders aussieht, vor allem hört es sich anders an. Mein Innenohr lässt sich nicht betrügen, auch auf dem Papier herrscht mein absolutes Gehör.
    Und so kommt es, dass mein ganzes Bemühen allmählich einer leisen Verzweiflung weicht, weil es mir einfach nicht gelingt, aufzuschreiben, was ich zu sagen hätte, falls ich etwas zu sagen habe. Schweigen wäre die Alternative, nach innen lauschen, Mönch werden. Aber die Mönchskunst beherrsche ich nicht, ich fürchte das Schweigen mehr als das Schreiben, weil ich mich vor dem Verstummen fürchte, davor, dass mir die Zunge im Mund vertrocknet (offenbar eine weitere Anspielung auf Astrid Lindgrens
Pippi Langstrumpf
, in der Pippi einen indischen Matrosen nachdrücklich auf die Gefahren des Verstummens hinweist/fh), dass meine Finger steif werden, sobald ich aufhöre, in die Tasten zu hauen. Was übrig bleibt? Die Antwort ist

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