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Hoppe

Hoppe

Titel: Hoppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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und warf ihn (eingeübt, allzu effekthascherisch, bemerkt Small), mit großer Geste zwischen die Zuhörer, die sofort heftig in Bewegung gerieten.«
    Nicht der stotternde polnische Matrose, sondern Maschinist Grushenko fing Hoppes Puck im Flug mit links und brachte ihn für immer ins Tor, in die eigene Tasche. Worauf ein wildes Gedränge entstand, wie ein Mann machten sich alle über Grushenko her und versuchten, an seine Tasche zu kommen, bis Small einen scharfen Pfiff ausstieß, das Knäuel der Männer fuhr auseinander und formierte sich in Windeseile wieder in Reihen, man begann zu klatschen. Der Koch und der Stewart machten ein Foto, während Karl Hoppe, weniger verlegen als ungeduldig, von einem auf den anderen Fuß trat, weil ihm immer noch übel war (er hatte seit Tagen nicht gegessen) und weil er seit Wochen von nichts anderem träumte, als die Seefahrt hinter sich zu lassen und sich endlich in ein Bett zu legen, das »ein für alle Mal aufhört zu schwanken und Aussicht auf Festland und Arbeit verspricht«.
    Karls Geduld wurde allerdings ein letztes Mal auf die Probe gestellt, als Grushenko unvermittelt vortrat und selbst eine Rede zu halten begann, in einem so fließenden und unaufhaltsam anschwellenden Russisch, dass niemand mehr ans Übersetzen dachte. So floss die üppige Rede dahin und trat über die Reling bis ans Ufer, bis Felicitas sich plötzlich erhob, auf Grushenko zutrat und (»was niemand ihr zugetraut hätte«, so Small) ihm einen Kuss »mitten auf den Mund« drückte, worauf dieser, leicht schwankend, endlich verstummte, ihr unbeholfen den Adventskranz auf dem Kopf zurechtrückte und, indem er verlegen zurücktrat, sich mit dem Handrücken über die Augen wischte. Da plötzlich wollten alle sie küssen, aber weil das natürlich unmöglich war, begannen sie, in ihren Taschen zu wühlen und nach Geschenken zu graben. Nur fanden sie keine, selbst wenn sie welche gefunden hätten, hätten sie sie nicht loswerden können, weil Karl, als sei er plötzlich aus einem Halbschlaf erwacht, seine Tochter entschieden in Richtung Gangway schob.
    Nur das Meer lehrt uns zu essen, was auf den Tisch kommt, ohne ein Wort zu verlieren. Hier seht ihr Felicitas, da ihren Vater und dort Kramer, der ihr leicht auf den Rücken schlägt, während Small ihr zum Abschied ein Buch mit dem Titel
Schicksal im australischen Busch
(Ludwig Leichhardt:
Schicksal im australischen Busch. Vorstoß in das Herz eines Kontinents
/fh) in die Hand drückte, das Felicitas sorgfältig in ihrem karierten Rucksack verstaute. Dann gingen Vater und Tochter die Gangway hinunter, Karl links, Felicitas rechts, bis sie gemeinsam das Ende der Welt erreichten. Unten angekommen, drehte sich Felicitas ein letztes Mal um, riss sich mit leichter Hand den Adventskranz vom Kopf und warf ihn ins Wasser. Obenauf eine Kusshand. Zu den Flaschen und Fischen.

3. Durch die Wüste
    A m Morgen des 22 .  12 .  1974 erwachte Felicitas in Port Adelaide in der Pension
Grant’s Children
(preiswerte Zweibettzimmer mit Hafenblick) neben ihrem noch schlafenden Vater (der im Halbschlaf Telefonnummern aufsagte) und begann umgehend, das Abschiedsgeschenk Kapitän Smalls zu lesen: Ludwig Leichhardt,
Schicksal im australischen Busch. Vorstoß in das Herz eines Kontinents
. Kurz vor dem Frühstück, gegen 7 a.m., ist sie zur Hälfte durch, nach dem Frühstück geht sie wieder aufs Zimmer und ist durch nichts mehr dazu zu bewegen, mit ihrem Vater auf die Straße zu gehen. Also macht sich Karl allein auf den Weg. Am Nachmittag ist die Lektüre beendet, und Felicitas beginnt, das
Buch L
zu schreiben.
    Dass das mittlerweile legendäre
Buch L
(in schwungvoller Handschrift Kapitän Small und Offizier Kramer gewidmet, »ohne die dieses Werk niemals entstanden wäre«) als Manuskript erhalten blieb, ist demselben Umstand zu danken, der uns auch ihr deutsch-kanadisches Kinderwerk erhielt – der einfachen Tatsache, dass Hoppe, die immer wieder behauptet hat, sie hebe rein gar nichts auf, was nicht umgehend in Druck gehen könne, und werfe alles, was übrig sei, zu den Flaschen und Fischen, sich nicht an ihre Grundsätze hielt und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, alles bei sich führte, was sie jemals zu Papier gebracht hatte.
    Buch L
umfasst circa einhundert handschriftliche Seiten (in zwei Heften der Marke
Clairefontaine
), die Felicitas in den ersten drei Wochen, die sie zusammen mit ihrem Vater in der kleinen Pension in Hafennähe verbrachte, nach eigenen Angaben

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