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Hornblower 06 - An Spaniens Küsten

Hornblower 06 - An Spaniens Küsten

Titel: Hornblower 06 - An Spaniens Küsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Geschmack. Um Mitternacht hatte er sich zurückgezogen, aber der zum Abendessen genossene Schweinebraten war schuld daran gewesen, daß er sich stundenlang schlaflos hin und her geworfen hatte, und nun wurde er um vier Uhr früh geweckt; nur weil er den Bericht für den Kapitän Bolton oder für den Geschwaderchef - wenn jener inzwischen eingetroffen war - anfertigen mußte, um ihn bei der Meldung zur Hand zu haben. Hornblower stöhnte vor Müdigkeit. Alle Glieder taten ihm weh, als er die Füße an Deck brachte. Er setzte sich auf und konnte die Augen nur mit Mühe offenhalten, und sie schienen entzündet, als er sie rieb.
    Er würde wohl wieder gestöhnt haben, aber er mußte vor Polwheal erhaben über menschliche Schwächen erscheinen. Der Gedanke veranlaßte ihn, schnell aufzustehen und die Haltung eines Menschen anzunehmen, der vollkommen frisch ist. Eine Dusche unter der Deckspumpe und das darauffolgende Rasieren machten diese Haltung fast natürlich, und dann, als die Dämmerung über dem dunstigen Horizont emporstieg, setzte er sich an den Schreibtisch, um sich eine neue Feder zu schneiden, an der er nachdenklich leckte, ehe er sie eintauchte und zu schreiben begann.
    »Ich beehre ich zu melden, daß ich im Einklang mit den von Herrn Kapitän z. S. Bolton empfangenen Befehlen am 20. dieses Monats...«
    Polwheal erschien mit dem Frühstück, und Hornblower wandte sich dem dampfenden Kaffee zu, um seine bereits schwindende Energie neu zu beleben. Er blätterte im Logbuch.
    Während der letzten Tage war so viel geschehen, daß er sich kaum noch auf alle Einzelheiten der Wegnahme des Schiffs Amelie besinnen konnte. Der Bericht mußte in nüchterner Weise unter Vermeidung schwülstiger Redewendungen abgefaßt werden, obwohl Hornblower die dienstliche Ausdrucksweise durchaus nicht liebte. Bei der Aufführung der bei der Batterie von Llanza erbeuteten Fahrzeuge schrieb er »wie am Rande vermerkt«, statt die üblichen Worte »wie per Rand« zu wählen, die seit der fast vor hundert Jahren erfolgten ersten Anwendung durch einen wenig schreibgewandten Kommandanten in der Marine stereotyp geworden waren. Ähnlich stand es mit anderen Bezeichnungen. So schlugen Kommandanten nie etwas vor, sondern stellten es der Erwägung des Vorgesetzten gehorsamst anheim. In ähnlicher Weise erlaubte sich Hornblower gehorsamst darauf aufmerksam zu machen, daß die von Frankreich nach Spanien führende Küstenstraße zwischen Port Vendres und der Rosas-Bucht bis zur Wiederherstellung der französischen Küstenbatterie von Llanza sehr verwundbar sei.
    Während er noch nach Worten suchte, um den Handstreich gegen den Etang de Thau zu schildern, wurde er durch ein Klopfen an der Tür gestört. Longley trat ein.
    »Mr. Gerard schickt mich, Sir. Das Geschwader ist an Steuerbord voraus in Sicht.«
    »Das Flaggschiff auch?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Gut. Ich lasse Mr. Gerard bitten, Kurs zu ändern und darauf zuzuhalten.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Demnach mußte er also seinen Bericht dem Admiral und nicht dem Kapitän Bolton vorlegen. Auch mußte das Schreiben binnen der nächsten halben Stunde abgeschlossen werden.
    Hornblower tauchte die Feder ein und ließ sie in fieberhafter Hast über das Papier kratzen, während er den Feuerüberfall auf die Kolonne des Generals Pino schilderte. Als er dazu gelangte, die geschätzten feindlichen Verluste zu erwähnen, stutzte er; ganz abgesehen von den Versprengten mußten sie fünf- bis sechshundert Mann betragen haben. Er mußte sich da möglichst zurückhaltend ausdrücken, da man ihn sonst zweifellos einer groben Übertreibung verdächtigt hätte, die in den Augen vorgesetzter Dienststellen als Kapitalverbrechen galt. Gestern waren also mehrere hundert Menschen getötet oder verstümmelt worden, die sich, falls Hornblower nicht ein so tatkräftiger und unternehmungslustiger Offizier gewesen wäre, noch heute ihres Daseins erfreut hätten. Er betrachtete den Vorfall von zwei ganz verschiedenen Standpunkten aus. Einmal sah er vor seinem geistigen Auge Tote, Witwen und Waisen, zum anderen aber weißbehoste Figurinen, umgeworfene Bleisoldaten und nüchterne, auf dem Papier vermerkte Zahlen. Er verwünschte seinen kühlen Verstand ebenso, wie er die Hitze und die Notwendigkeit der Abfassung solcher Berichte verwünschte.
    Zudem kam ihm - wenn auch unklar - seine gespaltene Mentalität zum Bewußtsein, die ihn nach einem errungenen Erfolg fast immer unter Depressionen leiden ließ. Mit kräftigem Zug setzte er

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