Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
gestatten, werde ich...«
Er wurde durch das Wiedererscheinen des Hofmeisters und der Dame unterbrochen, die sich hoch mit Kleidern und Decken bepackt hatten.
»Ausgezeichnet!« lobte der Hausherr. »Felix, Sie werden den Herren behilflich sein. Komm, Kind.«
Der Hofmeister hielt ein seidenes Nachthemd vor die Glut, während Hornblower und Brown den Kapitänleutnant auszogen und ihn gehörig mit einem Handtuch abrieben.
»Gott, ich hätte nicht gedacht, daß ich noch einmal warm werden würde«, murmelte Bush, als sein Gesicht aus dem Kragen des Hemdes auftauchte. »Und Sie, Sir? Sie hätten sich wegen mir nicht solche Mühe machen sollen. Möchten Sie sich jetzt nicht umziehen, Sir? Mir fehlt nichts mehr.«
»Erst sollen Sie's behaglich haben«, erklärte Hornblower. Es bereitete ihm eine seltsame Genugtuung, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und zunächst für Bush zu sorgen.
»Lassen Sie mich mal Ihren Stumpf ansehen.«
Die Amputationsstelle sah außerordentlich zufriedenstellend aus. Auch als Hornblower das Bein betastete, fand er keine erhitzte oder entzündete Stelle, und aus den vernarbten Wunden trat kein Eiter mehr hervor. Felix reichte ihm ein Tuch, in das er den Stumpf einwickelte, während Brown dem Kapitänleutnant eine Decke umlegte.
»Jetzt angefasst, Brown. Wir bringen ihn zu Bett.«
Draußen in der Halle stutzten sie, weil sie nicht gleich wussten, welche Richtung sie einschlagen sollten, als plötzlich aus einer Tür Marie hervortrat.
»Hier herein«, sagte sie mit etwas rauher Altstimme. »Ich habe für den Verwundeten im Erdgeschoss ein Lager herrichten lassen, denn ich dachte, das würde am zweckmäßigsten sein.«
Eine der Mägde - sie war wohl eher als hagere alte Frau zu bezeichnen - hatte gerade die Kohlenpfanne zwischen den Decken hervorgezogen, und die andere schob dafür ein paar Wärmflaschen hinein. Hornblower war angenehm überrascht von Maries Umsicht. Mit sehr mangelhaftem Erfolg suchte er ihr auf französisch seinen Dank zum Ausdruck zu bringen, während er mit Browns Hilfe den Verstümmelten aufs Bett gleiten ließ und ihn zudeckte.
»Donnerwetter, das tut aber gut, Sir... Danke vielmals«, murmelte Bush.
Dann verließen sie ihn - eine Kerze brannte auf seinem Nachttisch -, und nunmehr kannte Hornblower nur noch den einen Gedanken, sich vor dem prasselnden Küchenfeuer bis auf die Haut der durchweichten Sachen zu entledigen. Er frottierte sich mit einem warmen Handtuch und schlüpfte in ein vorgewärmtes wollenes Hemd. Dann trank er stehend, während er die nackten Beine vor der Glut röstete, ein zweites Glas Wein.
Müdigkeit und Kältegefühl schwanden wie durch Zauberei, und so stark war die Reaktion, daß seine Stimmung heiter erregt wurde. Felix kniete vor ihm und hielt eine Hose bereit. Er stieg hinein und duldete es, daß der Diener die Hemdstöße hineinstopfte und die Knöpfe schloss. Seit seiner Kindheit geschah es zum erstenmal, daß er sich in so weitgehender Weise helfen ließ, aber heute Abend schien das ganz in der Ordnung zu sein. Auch beim Anziehen der Socken und Schuhe, der Weste und des Rockes verhielt es sich ähnlich.
»Monsieur le Comte und Madame la Vicomtesse erwarten Monsieur im Wohnzimmer«, meldete Felix. Sonderbar, daß er ohne ein Wort der Erklärung erkannte, daß Brown auf einer niedrigeren gesellschaftlichen Stufe stand. Schon die für ihn bestimmten Kleidungsstücke verrieten es.
»Machen Sie es sich hier bequem, Brown«, sagte Hornblower.
»Aye, aye, Sir«, antwortete der Seemann, wobei er sich bemühte, eine dienstliche Haltung anzunehmen, die in sonderbarem Gegensatz zu der wirren Masse seines schwarzen Haares stand. Bisher hatte nur Hornblower Gelegenheit gefunden, sich eines Kammes zu bedienen. Ein Blick in Bushs Zimmer überzeugte ihn davon, daß sein Erster Offizier bereits schlief. Leises Schnarchen tönte vom Bett herüber. Dieser eisenharte Mann, der seinen Körper während fünfundzwanzig zur See verbrachten Dienstjahren gestählt hatte, schien von dem nassen und kalten Abenteuer keine nachteiligen Folgen davongetragen zu haben. Hornblower blies die Kerze aus, schloss leise die Tür und bedeutete dem Hofmeister, ihn weiterzuführen. Vor dem Wohnzimmer angekommen, bat ihn Felix, seinen Namen zu nennen, und Hornblower fühlte sich geradezu erleichtert, als er ein kümmerliches Kauderwelsch daraus machte; Felix wurde dadurch wieder menschlich.
Der Hausherr und die Dame saßen am anderen Ende des Zimmers beiderseits
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