Hornblower 07 - Unter wehender Flagge
des Kamins, und der Graf erhob sich, um ihm entgegenzukommen.
»Zu meinem Bedauern habe ich den Namen, den mein Hofmeister soeben nannte, nicht recht verstanden«, sagte er.
»Ich bin Kapitän zur See Horatio Hornblower von Seiner Britischen Majestät Schiff Sutherland «, stellte sich Hornblower vor. »Es ist mir ein lebhaftes Vergnügen, Sie kennen zu lernen, Herr Kapitän«, lächelte der Graf, wobei er geschickt die Schwierigkeiten einer Aussprache vermied, die ihm als einem Vertreter des alten Regimes eigentlich hätte leichtfallen müssen.
»Lucien Antoine de Ladon, Comte de Gracey«, sagte er. Die beiden Herren verneigten sich.
»Darf ich Sie meiner Schwiegertochter vorstellen? Madame la Vicomtesse de Gracey.«
»Ihr Diener, gnädige Frau«, murmelte Hornblower, sich abermals verbeugend, und dann kam er sich sehr ungeschliffen vor, weil sich ihm gefühlsmäßig die englische Redewendung über die Lippen gedrängt hatte. Hastig kramte er in seinen Erinnerungen nach dem französischen Gegenstück, stammelte dann aber nur verlegen das ein Wort »enchante!«
Im stärksten Gegensatz zum rotblonden Haar standen die schwarzen Augen der Vicomtesse. Sie war kräftig und fast stämmig gebaut, mochte etwa dreißig Jahre alt sein und trug schwarze Seide, die ihre runden weißen Schultern freiließ. Sie erwiderte seinen Blick mit offener Freundlichkeit.
»Und wie ist der Name des verwundeten Herrn, den zu bewirten wir die Ehre haben?« fragte sie. Selbst Hornblower fiel ein Unterschied in ihrer Aussprache des Französischen gegenüber jener des Grafen auf.
»Bush«, sagte Hornblower, dem es einige Mühe machte, die Bedeutung der Frage zu begreifen. »Erster Offizier war er meines Schiffes. Meinen Burschen Brown ließ ich in der Küche zurück.«
»Felix wird sich seiner annehmen«, nickte der Gastgeber.
»Und wie ist es mit Ihnen, Herr Kapitän? Darf ich Ihnen etwas zu essen anbieten? Ein Glas Wein?«
»Danke verbindlichst«, lehnte Hornblower ab. Er verspürte keinen Hunger, obwohl er seit der Mittagsstunde nichts zu sich genommen hatte.
»Nur ermüdet von der Reise werden Sie sein, nicht wahr?«
Man hätte schwerlich in taktvollerer Weise auf die Ankunft der verschneiten, durchnässten und zerlumpten Männer anspielen können.
Hornblower verneigte sich leicht.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen, Herr Kapitän?« fragte die Vicomtesse. Nachdem sie sich niedergelassen hatten, begann der Gastgeber abermals:
»Sie werden es uns hoffentlich nicht verübeln, daß wir fortfahren, französisch zu sprechen. Zehn Jahre sind vergangen, seitdem ich mit zum letzten Mal der englischen Sprache bedienen konnte, und selbst damals waren meine Fähigkeiten gering; meine Schwiegertochter spricht überhaupt nicht Englisch.«
»Bush«, sagte die Vicomtesse. »Brown. Die Namen kann ich aussprechen, aber der Ihrige ist schwierig, Herr Kapitän.
Orrenblor...?«
»Bush! Orrenblor!« rief der Graf, als werde er plötzlich an etwas erinnert. »Ich nehme an, Herr Kapitän, daß es Ihnen bekannt ist, was unsere Zeitungen über Sie schrieben?«
»Nein, aber sehr gern würde ich es erfahren.«
»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«
Der Hausherr ergriff eine Kerze und verschwand durch die Tür, doch kehrte er schnell wieder zurück, so daß Hornblower das eingetretene Schweigen nicht allzu peinlich empfand.
»Hier sind die letzten Nummern des Moniteurs«., sagte der Graf. »Ich muss mich von vornherein wegen ihres Inhalts entschuldigen, Herr Kapitän.«
Er reichte seinem Gast die Zeitungen und deutete auf bestimmte Spalten. Die erste Meldung besagte nur kurz, daß nach einer soeben eingetroffenen Meldung des optischen Telegraphen aus Perpignan ein englisches Linienschiff bei Rosas erobert worden sei. Triumphierend wurde verkündet, daß die hundert Kanonen führende Sutherland , die sich im Mittelmeer seeräuberische Taten hatte zuschulden kommen lassen, nunmehr durch das von Admiral Cosmao geführte Geschwader von Toulon ihr wohlverdientes Ende gefunden habe. Sie sei überrascht und niedergekämpft worden und habe feige die Flagge des perfiden Albions niedergeholt, unter der sie so manches verabscheuungswürdige Verbrechen begangen hatte. Dem französischen Publikum wurde mitgeteilt, daß der Widerstand der Engländer geradezu erbärmlich gewesen sei.
Nur eins der französischen Schiffe habe während des Artilleriekampfes eine Stenge eingebüsst. Das Gefecht sei unter den Augen von Tausenden von Spaniern durchgeführt
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