Hornblower 11 - Zapfenstreich
an ihn brauchte, um überhaupt eingelassen zu werden, kam, wenn auch unausgesprochen, einem abschätzigen Urteil über seine äußere Erscheinung gleich. »Die Kutsche wird gleich am Tor sein, Sir«, meldete der Flaggleutnant. »Danke.« Foster bestreute den Brief mit Sand und schüttete den überschüssigen Sand in die Streubuchse zurück. Dann faltete er den Bogen zusammen, adressierte ihn und bestreute ihn abermals mit Sand, den er wieder zurückschüttete. »Bitte siegeln Sie das.«
Während sich der Flaggleutnant mit Kerze und Siegelwachs zu schaffen machte, faltete Foster die Hände und richtete den Blick wieder auf Hornblower.
»Bei jedem Pferdewechsel wird man mit allen Mitteln versuchen, Neues von Ihnen zu erfahren«, sagte er. »Ganz England kennt jetzt nur zwei Fragen:
›Was macht Nelson?‹ und ›Ist Boney schon über den Kanal gekommen?‹ Sie reden über Villainnoove und Calder genauso wie vorher über Tom Cribb und Jem Belcher.«
»Leider habe ich von den beiden Herren noch nie etwas gehört.« (Tom Cribb und Jem Belcher kämpften damals um die Schwergewichtsmeisterschaft von England.) »Das macht nichts.«
»Ich bin fertig, Sir«, sagte der Flaggleutnant und gab Hornblower den versiegelten Brief. Dieser drehte ihn verlegen eine Sekunde in der Hand und steckte ihn dann in die Tasche - für einen Brief an den Sekretär der Admiralität schien ihm diese Behandlung fast anmaßend. »Leben Sie wohl, Kapitän Hornblower«, sagte Foster, »ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise.«
Als sie zum Tor unterwegs waren, sagte der Flaggleutnant:
»Ich habe Ihr Gepäck in der Kutsche verstauen lassen, Sir.«
»Besten Dank«, sagte Hornblower.
Draußen vor dem Tor sah man die übliche kleine Versammlung von Arbeitern, die sich um Anstellung bewarben, von wartenden Frauen und von neugierigen Müßiggängern. Ihre Aufmerksamkeit wurde im Augenblick durch die Postkutsche in Anspruch genommen, die vor dem Tor wartete und deren Kutscher die Pferde an den Köpfen festhielt. »Leben Sie wohl, Sir, und eine angenehme Reise«, sagte der Flaggleutnant und übergab Hornblower das Bündel mit den Papieren. Dieser hörte jetzt von draußen eine wohlbekannte Stimme: »Horry! Horry!«
Maria stand mit Kapotthut und Schal vor dem Gittertor und hatte den kleinen Horatio in den Armen. »Da steht meine Frau mit meinem Jungen«, sagte Hornblower unvermittelt. »Also auf Wiedersehen.« Er ging durch das Tor hinaus und hielt im nächsten Augenblick Maria und den Jungen zugleich in seinen Armen.
»Horry, Liebster, du mein einziger Schatz«, sagte Maria, »bist du endlich wieder da! Schau dir deinen Sohn an, wie er heranwächst. Den ganzen Tag rennt er herum. Komm Liebling, zeig deinem Vater, daß du lächeln kannst."
Für einen flüchtigen Augenblick huschte in der Tat ein Lächeln über das Gesicht des kleinen Horatio, doch dann verbarg er sein Gesicht gleich wieder an Marias Busen.
»Er sieht gut aus«, sagte Hornblower, »und wie geht es dir, Liebste?« Er trat einen Schritt zurück, um sie zu betrachten. Von ihrer Schwangerschaft war zur Zeit nichts zu bemerken, man konnte höchstens sagen, daß ihr Ausdruck etwas davon verriet.
»Wenn ich dich sehe, Liebster, durchströmt mich neues Leben«, sagte Maria. Es war schmerzlich für ihn, sich sagen zu müssen, daß ihre Worte der Wahrheit so nahe kamen. Viel grausamer aber war, was er ihr nun gleich eröffnen mußte - daß dieses Wiedersehen zugleich ein neuer Abschied war.
Wie es so ihre Art war, hatte Maria bereits ihre Rechte ausgestreckt, um an seinem Rock herumzuzupfen; den kleinen Horatio trug sie dabei auf dem linken Arm.
»Deine Uniform sieht recht schäbig aus, mein lieber Horry«, sagte sie. »Dein Rock ist ja schrecklich zerknittert, höchste Zeit, daß ich mich mit einem Bügeleisen darüber hermache.«
»Ach, Liebling -«, begann Hornblower.
Dies wäre der richtige Augenblick gewesen, Maria zu sagen, was ihr bevorstand, aber sie kam ihm zuvor.
»Ich weiß schon«, sagte sie schnell, »ich habe gesehen, wie sie deine Seekiste und deinen Sack in der Kutsche verstauten.
Du willst also wieder weg?«
»Ja, leider muß es sein.«
»Nach London?«
»Ja.«
»Und für mich, für uns hast du keinen Augenblick übrig?«
»Leider nein, meine Liebe.«
Maria war sehr tapfer, sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihm fest in die Augen. Nur ein winziges Zucken ihrer Lippen verriet, was sie innerlich auszustehen hatte.
»Und wenn du diese Reise hinter dir hast,
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