Hornjäger (German Edition)
einem Schrei sprang er dreimal über den Stein und setzte ihn dann auf eine ganz bestimmte Stelle.
»Was macht er da?«, fragte Euphena flüsternd.
»Er setzt ein Blitzgrab!« Kerfluns zog sie weiter zum Waldweg. »Man soll nicht zusehen ...«
»Was ist ein Blitzgrab?« Euphena hatte extra einige Schritte lang gewartete, bevor sie ihre Frage stellte.
»Naja, ein Grab für Blitze eben! Gestern Nacht gab es ein Gewitter ... offensichtlich ist an dieser Stelle einer eingeschlagen.« Sie bogen in den Speicher ein und gesellten sich zu den anderen. Kerfluns stellte sich auf die Zehenspitzen und angelte sich noch eine Handvoll Trauben aus Euphenas Korb.
»He, was soll das?«
Kerfluns sah sie aus seinen gelben Augen herausfordernd an. »Ich hab dir viel mehr verraten, als ausgemacht war!« Er ließ die Beeren in seinen Korb plumpsen und überreichte ihn freudestrahlend einer pummeligen Aigidin.
Euphena schüttelte nur den Kopf. Diese Gehörnten waren ein äußerst komisches Völkchen.
»Die Kitze, die mit zwei Bocksfüßen geboren werden, sind von den Göttern dazu bestimmt ihre Zeichen zu lesen, und sich um die Blitze zu kümmern, die sie zur Erde schleudern«, dozierte Kerfluns weiter und bedeutete Euphena, ihm zu folgen.
Sie nickte und dachte unwillkürlich an den jungen Aigiden, der von Larin an der Quelle verscheucht worden war.
Kerfluns führte sie zwischen zwei Häusern durch und blieb mit Euphena hinter der langen Halle vor einem kleinen Gatter mit Waldauslauf stehen.
»Wie viel Mensch in einem Kind stecken wird, weiß von vornherein niemand.« Kerfluns streckte die Hand über den Lattenzaun und lockte einen schwarz-weißen Ziegenbock heran. Zärtlich leckte der ihm über die Hand.
»Euphena darf ich vorstellen: Rindin, mein Bruder.«
Euphena knickste leicht und kraulte den Ziegenbock zwischen den Hörnern, was der sichtlich genoss.
Kerfluns seufzte. »Der Arme kommt einfach ganz nach unserer Urgroßmutter! Dasselbe sture Wesen ... er hat sogar ihre Augen. Mögen die Götter sie auf saftige Wiesen führen!«
»Esst ihr deshalb nur Pflanzen?« Langsam ergab die Sache Sinn ...
»Es wäre doch ein wenig hart Verwandte zu verspeisen.« Er sah sie streng an. »Wir haben ein paar Schafe ... für Wolle und Käse. Zu etwas anderem taugen die ja auch nicht!« Kerfluns lachte abfällig. »Es gibt auch Dörfer, die Ziegen halten.« Er hielt sich die Hand vor den Mund, als würde er ihr ein großes Geheimnis anvertrauen. »Aber die liegen noch höher ... in der dünnen Luft kommt man halt auf dumme Ideen.« Er zuckte mit den Achseln.
Euphena staunte. Offensichtlich war hier die zivilisierte Seite der Gehörnten zu Hause. Plötzlich musste sie schmunzeln.
»Was?« Kerfluns bedeutete ihr, ihm in den Wald zu folgen.
»Nichts.« Euphena schlang ihre Arme um sich. »Ihr lebt hier wie im Paradies! Auf mich wirkt alles so einfach ... damit meine ich nicht schlicht«, verbesserte sie sich schnell, »nur eben nicht ganz so kompliziert!«
Kerfluns lachte auf. »Du erntest Trauben doppelt so schnell wie alle anderen und strengst dich nicht einmal an dabei ... für dich ist hier also immer ein Plätzchen frei!«
»Ich danke Euch!« Euphena meinte das wirklich ernst. Es tat gut zu hören, dass man nicht nur geduldet, sondern sogar erwünscht war. Noch dazu auf so einem wunderbaren Fleckchen Erde.
»Wenn du meinen Sohn heiratest, schenke ich dir eine Wolldecke und vier Schafe dazu! Na was sagst du?« Kerfluns setzte sein verschmitztes Lächeln auf, vor dem sich Euphena gestern noch gefürchtet hatte.
»Das muss ich mir noch überlegen ... aber danke für das Angebot!«
»Ich meine ja nur ... so ernst kann es dir mit dem Kerl ...«
»Helwyr!«
»Meinetwegen, also mit Helwyr ja gar nicht sein. Immerhin hast du ihn letzte Nacht im Regen sitzen lassen, während alle anderen vergnügt gefeiert haben.« Sie folgten einem ausgetretenen Waldweg, über den sich hoch oben ein grünes Blätterdach spannte.
Euphena seufzte. Ganz offensichtlich war sie die Einzige gewesen, die das Gewitter nicht bemerkt hatte! »Ich ... das war ein Versehen!«
»Ich kenne diese Art von Versehen, glaube mir! Einmal der falschen Ziege nachgeschaut und schon stehst du da und darfst nicht einmal mehr in dein eigenes Haus!«
Euphena lachte. »Sollten wir den anderen nicht wieder helfen?«, fragte sie schließlich.
Kerfluns winkte ab. »Ich habe einen vollen Korb abgeliefert und jetzt muss ich König-Sachen machen!« Er blickte sie ernst an. »Was
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