Hornjäger (German Edition)
wirst du jetzt eigentlich ohne mein Horn machen?«
»Ihr meint, falls ich Euren grausamen Fängen entrinne?«
»Redet man da draußen etwa so über mich?« Kerfluns tat bestürzt. »Euphena, merke dir, wenn man seine Ruhe haben will, besonders wenn man anders ist, braucht man sich nur einen entsprechenden Ruf aufzubauen.«
»Nun ja, es heißt der Einzige, der bis jetzt lebend entkommen ist, wäre meines Königs Großvater gewesen, der seinen Verstand nach der Begegnung mit euch zur Gänze eingebüßt haben soll und wenige Tage später sein Leben aushauchte.« Euphena kickte einen Stein mit ihrem Fuß vorwärts.
»Ich erinnere mich an ihn.« Kerfluns nickte. »Er wollte uns unbedingt finden, bevor er starb.« Er zwirbelte seinen Bart. »Lustiger Kerl, hat sich nur leider komplett die Birne weggesoffen!« In diesem Jahr mussten wir sogar meine privaten Vorräte anzapfen!«
»Und die anderen habt Ihr tatsächlich umgebracht?« Euphena schauderte leicht.
»Einen, ja! Ist beim Abstieg in die Schlucht gestürzt ... glatter Genickbruch.« Kerfluns steckte die Hände in seine Taschen.
»Aber dann war das ein Unfall!«
»Wieso? Ich habe nicht behauptet, dass wir ihn nicht geschupst hätten ...« da war es wieder das grausame Grinsen.
Euphena schwieg. Sie nahm sich fest vor, als Letzte die Schlucht hinabzusteigen, wenn sie hier jemals wieder rausdurfte.
»Du hast mir noch immer nicht gesagt, was du ohne mein Horn machst!«
»Ich weiß es nicht!« Euphena überlegte. »Ist doch ohnehin egal ... ich bin zu schwach, um Redlef zu besiegen und zum Tauschen habe ich auch nichts!«
»Stimmt!« Kerfluns kicherte leise. Euphena war sich bei ihm nie sicher, ob er ein im Innersten ein lieber Kerl war, oder ob er sich nicht doch hin und wieder auch am Leid anderer erfreute.
Sie schwieg ein Weilchen. »Wenn Ihr den Großvater persönlich gekannt habt, müsst ihr doch ...«
»Ich bin noch älter«, fiel er ihr ins Wort. »Auch ein Vorteil unserer geteilten Natur. Wir sind widerstandsfähiger, haben einen ausgezeichneten Gleichgewichtssinn und können so manches besser als ihr Menschlein.« Er wackelte mit beiden Augenbrauen.
Euphena schmunzelte in sich hinein.
E s war fast Abend, als Helwyr aus seinem Dämmerschlaf erwachte. Drei Tage schon saß er hier gefesselt und konnte seine Arme kein Stückchen rühren. Seine Beine verlangten danach bewegt zu werden und sein Stolz wollte seine Faust in den Bauch des eingebildeten Prinzleins rammen. Euphena bekam er kaum zu Gesicht. Sie schien ihn absichtlich zu ignorieren und hatte sich erstaunlich schnell eingelebt. Sie trug die Kleidung der Aigiden, ihre Haartracht und scherzte und lachte mit ihnen, während er hier draußen angebunden blieb.
Helwyr seufzte. Er hatte seine Lektion verstanden, warum sie ihn allerdings nicht sehen wollte, blieb ihm weiterhin ein Rätsel. Den Streit im Wald hatte er schon in der ersten Nacht hier bereut, konnte es Euphena aber nicht sagen, wenn sie an ihm vorbeistolzierte wie eine aufgeputzte Ziege.
Vorsichtig drehte er den Kopf. Irgendwo hinter ihm erschallte wieder Gelächter und leise Flötenmusik drang an sein Ohr. Vermutlich war Euphena jetzt gerade auch auf dem Fest, amüsierte sich mit einem der jungen Böcke und verschwendete keinen Gedanken an ihn! Wütend trat er einen Stein zur Seite. Er rollte ein kleines Stück weit und blieb dann vor einem Stiefelpaar liegen.
»Euphena!«, rief er überrascht. Sie stand vor ihm und machte ein Gesicht, wie nach drei Tagen Regenwetter. »Euphena ... ich ...« Was verflucht noch einmal sollte er sagen? War sie noch wütend wegen des Streites? War etwas anderes passiert, von dem er nichts wusste?
Sie stellte einen Holzteller mit wunderbar duftenden Köstlichkeiten vor ihn hin. Sie sah ihn immer noch nicht an.
»Euphena, was ist los?« Er hielt dieses Schweigen zwischen ihnen nicht mehr aus.
»Gar nichts.« Sie versuchte zu lächeln. Es war eine Lüge, mitten in ihrem Gesicht. Sie konnte viel hübscher Lächeln, das wusste er.
»Unser Streit ...«, sagte er schnell, als sie sich zum Gehen wenden wollte. »Was ich gesagt habe, tut mir leid!« Er suchte ihren Blick. »Vergibst du mir?«
»Natürlich! Mir tut es auch leid ...« Euphena knetete ihre Finger. Das klang schon viel besser, aber diese Kälte schwebte immer noch wie ein unsichtbarer Eisblock zwischen ihnen. Da war noch etwas.
Euphena öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, schloss ihn dann aber wieder.
»Habe ich noch etwas falsch
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