Hornjäger (German Edition)
frische Nachtluft ein. Hinter ihr strömten die Menschen aus dem brennenden Haus und husteten sich beinahe die Seele aus dem Leib.
»Alles in Ordnung, Majestät?« Besorgt strich Euphena ihrem Schützling die blonden Locken aus dem Gesicht und betrachtete sie skeptisch von oben bis unten.
»Ja, natürlich!«, kicherte sie unter ihrer verdreckten Lederkappe hervor.
»Hattet Ihr Angst?« Sie musterte mit prüfendem Blick das ve rschlissene Gewand des Prinzesschens.
Stolz schüttelte die den Kopf. Euphena nickte etwas beruhigter und richtete das Hemdchen des Lockenkopfs. Nicht gerade die beste Verkleidung für eine Hoheit, wie sie zugeben musste, aber dennoch eine äußerst Nützliche! Sie schmunzelte. Die Prinzessin sah beinahe aus wie ein echtes Straßenkind.
»Kommen wir morgen wieder?«
Ein wenig besorgt erwiderte Euphena ihren Blick. Dieses plöt zliche Interesse an bürgerlichen Vergnügungen und gewaltvollen Darbietungen, wie dieser Faustkampf eben, konnten nicht gut für so ein zartes Geschöpf wie eine Prinzessin sein! Euphena selbst, wäre wohl nie auf die Idee gekommen, sie mit nach draußen zu nehmen. Aber nach langem Bitten und Flehen hatte sie ihr den Wunsch nicht länger abschlagen können. Immerhin war sie ein Mitglied der königlichen Familie!
»Nein, junges Fräulein, morgen Abend gibt es eine Lektion in der Geschichte Eures Hauses, und wenn Ihr ganz besonders artig seid, dann können wir danach vielleicht noch ein wenig sticken«, meinte sie dann bestimmt.
»Ich will aber wieder hierherkommen und einen Faustkampf sehen! Och bitte Fräulein Euphena ...!« Gekonnt schob das Prinzesschen ihre Unterlippe vor.
Euphena drehte sich um und besah sich das Wirtshaus. »Ihr wollt morgen Abend wieder hierher kommen ...?« Inzwischen hatten die Flammen ihren Weg nach oben gefunden und brachten im ersten Stock eine Butzenscheibe nach der anderen zum Bersten. Um sie herum vergrößerte sich die Menge der Schaulustigen stetig. Wie gebannt starrten die Menschen ins Feuer.
»Vielleicht nicht unbedingt hierher ...«, meinte die Prinzessin schließlich.
»Das habe ich mir gedacht!« Euphena setzte den Lockenkopf ab und kratzte sich am Hals. Dieser abgetragene Fetzen, den sie sich in Windeseile von der Köchin geborgt hatte und sich Kleid schimpfte, ließ inzwischen keinen Zweifel mehr zu, dass sich in eben diesem Augenblick irgendetwas äußerst Ekeliges in ihrem Korsett einnistete und dort vermutlich gerade seine Eier ablegte. Euphena schauderte.
»Aber vielleicht woanders?« Die grauen Augen sahen sie hof fnungsvoll von unten an.
Euphena seufzte. »Wir können uns nicht jede Nacht davo nstehlen! Ihr seid vermutlich die bestbewachte Person im Königreich, es ist sowieso schon ein Wunder, dass wir es überhaupt aus dem Palast geschafft haben!« Sie stopfte ihrem Schützling eine vorwitzige Locke zurück unter die Kappe. »Außerdem ist es gefährlich!«
»Das ist Sticken auch! Da hanti ert man mit sehr spitzen Nadeln!« Das Prinzesschen sah sie altklug an und stemmte die Hände in die Hüfte.
Euphena lachte auf. »Da habt Ihr wohl Recht, Majestät, aber wir gehen jetzt trotzdem nach Hause!« Sie streckte ihr die Hand entgegen.
Im Wirtshaus hinter ihnen explodierte etwas. Vermutlich nur das Mehllager, aber dennoch schrien einige der Umstehenden entsetzt auf.
»Kann ich dir denn nicht befehlen, noch länger mit mir hier zu bleiben? Wenigstens, bis die Feuerwache kommt?«, fragte sie quengelig.
»Doch! Das könnt Ihr!« Euphena nickte bedächtig und beugte sich dann zu ihr hinunter. »Aber ich glaube nicht, dass ich auf Euch hören würde ...« Sie winkte sie mit ihrer ausgestreckten Hand zu sich.
Seufzend griff das Prinzesschen nach dieser und ließ sich von Euphena in die nächtlichen Gassen führen. Ihr Weg führte sie an schmalen Fachwerkhäuschen mit grob behauenen Steinfundame nten vorbei. In diesem Viertel der Stadt störte sich niemand an dem abgeblätterten Verputz und den, durch die Last der Jahre eingedrückten Dächern. Solange man nur ein Plätzchen zum Wohnen hatte, waren die Häuser für viele gut genug, auch wenn so mancher seinen Kopf durch herabfallende Schindeln oder einstürzende Treppenhäuser riskierte.
»Aber wenn ich sage, dass das meine Idee war?«, fragte der Lockenschopf weiter.
»Dann bekommt Ihr einen Vortrag über korrektes Benehmen von Eurer Mutter zu hören und ich werde dennoch zur Magd degradiert. Ich glaube also, damit wäre keinem geholfen!« Euphena grinste zum
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